Rezension

Liebe kennt keine Grenzen - zu keiner Zeit

Eine Liebe zwischen den Fronten - Maria W. Peter

Eine Liebe zwischen den Fronten
von Maria W. Peter

Bewertet mit 5 Sternen

Mit diesem Roman lässt die Autorin Maria W. Peter die Geschichte des "Deutsch-Französischen Krieges 1870/71" wieder aufflammen, dieser Krieg, der auch für die nachfolgende Historie und bis in den 1. und 2. Weltkrieg hinein nach Meinung der Historiker Auswirkungen hatte, wird durch "Eine Liebe zwischen den Fronten"authentisch und nacherlebbar auf unvergleichliche Weise beschrieben:

 

Berlin, 1870:

 

Paul von Gerlau, ein junger preußischer Arzt und die Französin Madeleine Tellier, deren Familie in Metz ansässig ist, wollen ihre Verlobung feiern, als der Einberufungsbefehl für Paul eintrifft: Von Stunde an stehen die beiden Liebenden, die Hauptprotagonisten dieses Romans, auf verschiedenen Seiten. Wird ihre Liebe und Zuneigung füreinander durch den ausgerufenen Krieg zwischen Frankreich und Deutschland Bestand haben - oder am Krieg scheitern?

 

Dieser Frage, die in reale Kriegsgeschehen eingeflochten sind, spürt dieser Roman nach. Es gibt noch weitere Hauptfiguren; z.B. Clément, der Bruder Madeleines, der offiziell in Paris Jura studiert, jedoch den Parolen "Alle Macht dem Volk" der späteren "Commune" verfällt und entgegen seiner Mutter Clotilde Tellier, die hier den Part des bourgeoisen alten Frankreichs darstellt, revolutionären und marxistischen Ideen nachhängt. Die Hausangestellte der Telliers, Djamila, wie ihr Bruder Karim aus Algerien stammend, der damaligen Kolonie Frankreichs, nimmt ebenfalls eine starke Charakterrolle ein: Sie wandelt sich vom traumatisierten Mädchen zu einer starken Frau, die zur Freundin Madeleines wird und einige Reisen mit ihr in den Kriegswirren unternimmt, immer in Sorge um Karim, ob er die Schlachten überlebt hat und sie ihn wiederfindet. Hier hat Maria W. Peter auch die kulturellen Unterschiede des Maghreb und Frankreichs zu dieser Zeit sehr gut dargestellt und mit dem Lieutenant Ben Dakich, dessen Regiment der "Tiraillieurs Algériens", die ebenfalls für Frankreich kämpften, diesen ein literarisches Denkmal gesetzt: Nach der Schlacht bei Sedan war es Ben Dakich von außerordentlicher Wichtigkeit, dass einige Überlebende des Regiments, darunter auch Karim, die zerschossene Regimentsfahne nach Strasbourg brachten; was diesen auch gelang.

 

Man reist mit Madeleine und ihrem Vater, einem Arzt, der in Berlin forschte und allen Menschen jedweder Herkunft helfen wollte (ebenso wie Paul, der den hippokratischen Eid ebenfalls sehr hoch hielt) von Berlin nach Saarbrücken, wo es nach dem Tod des Vaters eine Begegnung mit einer historischen Person gibt: Katherine Weißgerber. Sie hat (wie viele hilfsbereite Menschen seinerzeit) selbstlos Verwundete versorgt und so manchem jungen Soldaten das Leben retten können. Ihr Grabmal steht in unmittelbarer Nähe meines Wohnortes und auch der Kampfplatz, das Schlachtfeld des ersten Aufeinandertreffens der Deutschen und Franzosen, diese Schlacht jährt sich am 6. August 2020 zum 150. Mal.... (und es war die einzige, die sich auf deutschem Boden ereignen sollte).

 

Die promovierte Historikerin und Autorin lässt den Leser teilhaben an der Geschichte: Madeleine schafft es mit Hilfe eines Försters, an Spicheren vorbei sich mit einer französischen Garnison bis nach Metz durchzuschlagen. Zwischen dem Denken von "Madou" und ihrem Bruder Clément liegen Welten; so ist die Wiedersehensfreude kurz und der Hass auf die Deutschen lässt Clément vergessen, dass er seine Schwester eigentlich liebt: Wieso ist sie gewillt, ausgerechnet einen Preußen zu heiraten?

 

In Clément finden wir einen sehr zerrissenen und dennoch aufrechten Charakter, der symbolisch auch für die neuen Werte der später ausgerufenen jungen französischen Republik stehen dürfte. Ein Teil seines Herzens bleibt bei dem algerischen Mädchen, dessen Sanftheit ihn gefangen genommen hat - und ihm im Kampf auch Mut und Stärke gibt.

 

Die Kampf- und Belagerungsszenen sind sehr authentisch und atmosphärisch beschrieben; dazu sehr akribisch recherchiert, da die Autorin selbst aus der Grenzregion des Saarlandes stammt. So entführt uns Maria W. Peter anhand ihrer sehr sympathischen Figuren, allen voran Paul und Madeleine, aber auch Karim und Djamila sowie Clément, zu den verschiedenen Orten schwerer Kämpfe, die in Frankreich stattfanden und viele furchtbare Opfer forderten: Sie schont den Leser nicht, das Kampfgeschehen "Mann gegen Mann", mit Bajonetten, Kanonen und anderen damaligen Waffen, "hautnah" mitzuerleben, was teils grausam anmutet, andererseits jedoch reale Historie ist (Sedan, Le Bourget bei Paris, Belagerung von Metz und später von Paris etc.).

 

Dies war für mich einer unter mehreren Gründen, diesen spannend geschriebenen und absolut lesenswerten Roman lesen zu wollen: Ich wuchs selbst 50 m vor der französischen Grenze auf und die "Spicherer Höhen" kenne ich seit meiner Kindheit; auch die Denkmäler, die dort heute noch zu besichtigen sind, haben mich bereits als Kind beschäftigt.

 

Das Lesen dieses Romans wie auch im Besonderen des Nachwortes der Autorin möchte ich allen LeserInnen historischer Romane - gerade wegen der heutigen und sehr wichtigen "deutsch-französischen Freundschaft", die in Grenzregionen wie dem Saarland, dem Elsass und Lothringen sehr gefördert wird und im europäischen Gedanken für mich einen Kern darstellt, sehr ans Herz legen. "Eine Liebe zwischen den Fronten" ist sehr lebendig geschriebene Geschichte, die das Saarland, das Rheinland und die heutige Region "Grand-Est", in dem das benachbarte Lothringen und insgesamt 10 Départements eingegliedert wurden, betreffen: Diese Grenzregionen sollten - wie Madeleine zum Romanende sinnt - Völkerverständigung zur Aufgabe haben, eine Brücke zwischen den Völkern sein, in denen die deutsch-französische Freundschaft auch weiterhin sehr hoch gehalten wird - aller politischen Unterschiede der Verwaltung etc. zum Trotz. Heute wissen wir, wie lange es dauerte, bis aus dem "Erbfeindschaftsgedanken" eine Freundschaft wurde. Ich persönlich bin sehr dankbar dafür, in der hiesigen Grenzregion eine friedliche Lebenszeit zu haben; sogar die Tatsache vor Augen zu sehen, dass der frühere "Schlagbaum" an der deutsch-französischen Grenze seit langer Zeit nicht mehr vorhanden ist und sich Freundschaften zwischen "hüben und drüben" noch besser verflechten können. Möge es so bleiben und der europäische Gedanke - und die Solidarität - wachsen und stärker werden!