Rezension

Liebe, Lust und Frust

Leute wie wir -

Leute wie wir
von Diana Evans

Bewertet mit 3.5 Sternen

Welche Erwartungen sind an eine gemeinsame Zukunft als Paar zu stellen - wenn der erste Hormonrausch des Dauerverliebtseins verflogen ist, wenn der Alltag Einzug gehalten hat, wenn Kinder aus der Zweisamkeit eine Familie mit ihrer ganz speziellen Dynamik gemacht haben? In "Leute wie wir" spürt die britische Autorin der Geschichte zweier Paare nach, die mit Alltag und Beziehungsfrust zu kämpfen haben, vier Enddreißiger, denen die Träume ihrer Jugend noch in frischer Erinnerung sind und die sich fragen, ob der Zug für Träume schon abgefahren ist.

Michael etwa, der langjährige Freund der Modejournalistin Melissa, sehnt sich nach der Ungebundenheit der frühen Jahre. Flirten, keine Verpflichtungen haben, die Leichtigkeit, die es einst in der Beziehung gab. Melissa dagegen, seit der Geburt des zweiten Kindes zu Hause und nur noch dann arbeitend, wenn das Baby schläft, ist frustriert mit ihrem Leben und fühlt sich von Michael nicht ausreichend gestärkt. Hinzu kommt, dass das Haus, in das die Familie vor kurzem gezogen ist, ihr immer unheimlicher wird. Geht hier ein Nachtwesen um, das von ihr und ihren Kindern Besitz ergreifen will? Ihre nigerianische Mutter empfiehlt traditionelle Methoden, mit Geisterwesen umzugehen, die für Michael, der jamaicanische Wurzeln hat,  nichts als irrationaler Aberglauben sind. Melissas Bitte, das Haus aufzugeben und außerhalb Londons aufs Land zu ziehen,  lehnt er aber auch ab: Er will, dass seine Kinder in einer Gegend leben, in der schwarze Gesichter nicht die seltene Ausnahme sind.

Die Frage schwarzer Identität ist ein Nebenthema, nicht aber das Leitmotiv des Buches, auch wenn die Überlegungen zu Geisterwesen an die nigerianisch-amerikanische Autorin Akwaeke Emezi erinnern. Mehr noch symbolisiert das unheimliche Haus den Kollaps der Beziehung und der einstigen großen Liebe, gelten Melissa und Michael doch in ihrem Freundeskreis als das absolute Traumpaar.

Von der Romantik, die noch vor gar nicht langer Zeit "M&M" in den Augen ihrer Freunde umgab, sind Shirley und Damian weit entfernt. Shirley sieht sich als Vollzeit-Mutter, der Mann als Teil der Familie ist in ihren Augen eher das unvermeidliche Übel. Damian, der immer von einem Erfolg als Schriftsteller träumte, hatte schon immer eine Schwäche für Melissa. 

"Leute wie wir" ist eine unspektakuläre Alltagsgeschichte, eingewoben in die Dynamik des modernen Londons mit seinen vielen Facetten. Die vier Protagonisten stehen dabei für unterschiedliche Wünsche, Visionen und Entscheidungen, Möglichkeiten oder eben auch der Mangel an Möglichkeiten. So wie der Geisterzug zum Crystal Palace im Tunnel steckengeblieben ist, sind auch Beziehungen nicht immer auf richtige Gleis zu bringen. Wer viel Leidenschaft und Drama erwartet, dürfte enttäuscht werden. Doch die unprätentiöse und unaufgeregte Erzählweise hat auch ihren Reiz. Mehr arthouse als romantic comedy.