Liebe und Geheimnisse
Bewertet mit 4.5 Sternen
Julie Cohen erzählt hier eine außergewöhnliche, berührende Liebesgeschichte, die nicht in den Kitsch abrutscht. Wir begleiten Emily und Robbie 54 Jahre in der Zeit rückwärts. Der Leser lernt die Beiden als altes, liebenswertes und gut eingespieltes Paar mit festen Lebensabläufen kennen. Da Robbie an Alzheimer erkrankt ist, hat er Sorge, dass er versehentlich ihr großes Liebesgeheimnis offenbart. Um dies zu verhindern setzt er seinem Leben ein Ende. Seiner Frau hinterlässt er die Worte: „Du bis mein Anfang und mein Ende und jeder Tag dazwischen“. In den folgenden Abschnitten geht es immer weiter in die Vergangenheit, man lernt die sympathischen Protagonisten, aber auch Nebencharaktere gut kennen. Man erfährt das eine oder andere Geheimnis und nähert sich immer weiter dem eigentlichen Punkt, der nie offenbart werden soll. Man bewegt sich als Leser rückwärts in der Zeit, so ergeht es auch Demenzkranken, ihnen ist die ferne Vergangenheit häufig auch viel näher als das nahe Gestern. Hier ist es aber auch ein gelungenes Stilmittel, um den Leser immer weiter neugierig zu machen auf das eigentliche Geheimnis. Der Spannungsbogen ist fast immer sehr hoch und der Schreibstil ist flüssig zu lesen. Neben der Liebesgeschichte werden auch ernste Themen wie Alzheimer, Alkoholsucht, Unfruchtbarkeit und unerfüllter Kinderwunsch, aber auch Kindesentzug als Rache und die damit verbundenen Gefühle verarbeitet. Die Offenbarung des gut gehüteten großen Geheimnisses an den Schluss zu setzen war goldrichtig, so unvoreingenommen wäre ich sonst nicht durch die Lektüre gekommen. Aber ich möchte hier nicht spoilern. Das Emily und Robbie ihre Liebe so innig gelebt haben, ist letztendlich schön. Man spürt dies während des Lesens und auch an Emilys Bekenntnis am Ende, als sie ihrem Mann für die geschenkte Freiheit dankt, aber sagt, dass sie alles noch einmal genauso machen würde, hätte sie die Gelegenheit.
Unbedingt selber lesen.