Rezension

Liebenswerte Queenie Hennessy

Der nie abgeschickte Liebesbrief an Harold Fry - Rachel Joyce

Der nie abgeschickte Liebesbrief an Harold Fry
von Rachel Joyce

Bewertet mit 5 Sternen

Als ich in der Vorschau des Verlages las, dass es zu einem meiner Lieblingsbücher "Die unwahrscheinliche Pilgerreise des Harold Fry " eine Fortsetzung aus der Sicht von Queenie Hennessy geben wird, war ich sofort Feuer und Flamme. Ich habe das Buch gestern beendet und musste es erst einmal sacken lassen, denn das Ende hat mich zutiefst berührt und regelrecht erschüttert. Im Nachhinein habe ich mich auch ein klein wenig darüber geärgert, das ich den ersten Band nicht zuvor erneut gelesen habe, denn vieles geriet in Vergessenheit und bedurfte meine ganze Konzentration um mich zu erinnern, was Harold auf seiner Pilgerreise, die ja nun einmal komplett aus seiner Sicht erzählt wird, erlebt hat. Natürlich könnte man theoretisch beide Bände unabhängig voneinander lesen, aber da wird meiner Meinung nach sehr viel von dem Zauber verloren gehen, den diese beiden Bücher in sich haben. Auch "Der nie abgeschickte Liebesbrief an Harold Fry: Das Geheimnis der Queenie Hennessy" ist ein Roman der wirklich fesseln kann und mich dadurch begeistern konnte, dass ich Harold um einiges besser kennen gelernt habe und durch Queenies Lebensbeichte, die im ersten Band ja eher eine Nebenrolle spielt, nun den Sinn der Pilgerreise erkennen durfte. Queenie ist eine wahre Freundin, ein echter Schatz und ihr Brief an Harold machte mich mitunter wirklich traurig und berührte mich zutiefst.

 

Man will die vertraute Richtung erzwingen und entdeckt, dass man sich stattdessen in neue Räume begeben muss. Der Weg, auf dem man weitergeht, verläuft dann nicht geradeaus nach vorn, sondern schwenkt seitlich ab zu einem Ort, der einem noch nie aufgefallen ist. " 
 

Zitat Queenie S. 270 

 

 

Queenie, die ihr Dasein in einem Hospiz verbringt ist todkrank und jeder Tag könnte ihr letzter sein. Lediglich der Abschiedsbrief an Harold gibt ihr genügend Überlebenswillen, um diesen unbedingt zu beenden. Ihren Frieden zu machen und lange ungesagtes endlich auszusprechen. Ich empfand es als sehr intensiv Queenies Sicht der Dinge zu lesen und auch zu erkennen, was für eine prachtvolle Frau sich hinter Queenie verbirgt. Niemals hätte ich durch die kurzen Einblicke, die in der Pilgerreise über Queenie geschrieben waren, so eine herzzerreißende Geschichte erwartet. Für mich war es eine Freude Queenie zu begleiten, die voller Vorfreude auf Harold das bisschen Leben was ihr bliebt, in Erinnerungen zu beschließen. "Warte auf mich, Queenie" ist das, was Harold ihr immer wieder zuruft und Queenie wartet. Je mehr Erinnerungen Queenie offenbart umso mehr wird bekannt, welch einsames Leben sie geführt hat und über viele Aussagen musste ich schwer schlucken. "Der nie abgeschickte Liebesbrief an Harold Fry: Das Geheimnis der Queenie Hennessy" ist ein Buch was danach verlangt zwischen den Zeilen zu lesen und sich nicht einfach nur berieseln zu lassen. Oberflächliche Bücher gibt es in der breiten Masse genug, aus der dieser Roman meiner Meinung nach wirklich heraussticht.

 

Auf den beiden Covern sind jeweils Schuhe abgebildet. Für Harold stehen die Segeltuchschuhe, die ihn die ganze Pilgerreise über begleitet haben, so lange, bis sie quasi auseinander gefallen sind und in ihre Einzelteile zerlegt wurden. Queenies Leidenschaft ist das Tanzen und daher vermute in den Schuhen auf ihrem Cover die Schuhe die sie zurückgelassen hat, als sie weggelaufen ist. Weg aus der Brauerei und ganz weit weg von Harold, um ein neues Leben zu beginnen. Die Tanzschuhe werden im Roman immer wieder erwähnt und sind für die Story auch wichtig genug, um sie anschaulich zu betrachten. 

 

 

Ich bin auch dieses Mal vom Schreibstil von Rachel Joyce sehr angetan und begreife erst nach und nach die Tiefe, die aus diesem Buch hervorgegangen ist. Wie schon erwähnt, war das Ende für mich bitter, aber dennoch in seiner Einzigartigkeit wundervoll. Es passte einfach alles zusammen und letztendlich blieben keine Fragen offen, nur noch ganz viel Frieden und Wärme! Die Einblicke in ein Hospiz sind schmerzhaft und sind oft von kleinen und auch großen Abschieden durchtränkt, aber dies ist etwas, was  "Der nie abgeschickte Liebesbrief an Harold Fry: Das Geheimnis der Queenie Hennessy" auch authentisch erscheinen lässt, da es nichts beschönigt.