Rezension

Lieber vom Verstand oder vom Herz leiten lassen?

Eine Handvoll Worte - Jojo Moyes

Eine Handvoll Worte
von Jojo Moyes

Bewertet mit 4 Sternen

Der Einstieg in die Geschichte ist mir leider etwas schwerer gefallen. Ich hatte anfangs meine liebe Mühe mit den vielen Namen, den Szenen- und Zeitenwechseln. Denn das Buch hat zwei Haupterzählstränge: einen aus den 1960er Jahren und einen anderen aus 2003. Der aus den 1960ern hat aber erst mal viel größeres Gewicht. Darin lernen wir Jennifer Sterling kennen, eine junge Frau, die einen Autounfall und dadurch einen Gedächtnisverlust erlitten hatte.

Mit Jennifer bin ich zuerst nicht wirklich klar gekommen, da sie mir aus den Rückblicken wie eine reich verwöhnte, eingebildete Person vorgekommen ist. Erst mit der Zeit, als ich mehr von ihr erfahren habe, hat sich auch mein Bild von ihr geändert und plötzlich war sie mir auch viel näher und sympathischer, was ich durch mein Anfangsbild nie erwartet hätte. Je mehr ich von Jennifer gelesen habe, desto verletzlicher und unschuldiger wurde sie dargestellt. - Das war mir dann fast schon ein bisschen zu sehr gewollt ...

Die Liebesgeschichte(n) sind in beiden Handlungssträngen ja voll am Laufen. Und wunderbar spannend zu verfolgen waren sie auch in beiden Zeiten. Ich liebe es einfach, dieses Hin und Her zwischen zwei Menschen mitzukriegen, ich fiebere da immer sehr gerne mit, wie das mit den sich Liebenden wohl weiter- oder ausgehen wird. Und hier war es ebenso: das Spekulieren, ob die (fast unmögliche) Liebe zwischen Jennifer und ihrem Anthony Bestand hat und ob die beiden jemals endgültig zueinander finden und in eine gemeinsame Zukunft ohne Schuldgefühle blicken können, waren für mich Fragen, die ich gerne ganz schnell beantwortet haben wollte und mich immer gespannt weiterlesen haben lassen.

Aber das Gefühl, unbedingt weiter und weiter lesen zu wollen, in mir hervorzurufen, war auch nicht so schwer, denn ich fand, dass die Geschichte unheimlich flüssig, locker und leicht geschrieben ist. Die anfängliche Mühsal war nach einer Einlesezeit schnell verflogen und dann habe ich gar nicht mehr so recht mitbekommen, wie viele Seiten ich schon wieder weggelesen habe. - Das muss ich wirklich positiv hervorheben.

Was ich bis fast ganz zum Schluss aber nicht verstanden habe, waren die kurzen Briefchen am Anfang eines neuen Kapitels. Ich hatte nämlich ziemlich lange angenommen, dass es kleine Liebesbotschaften, eben immer eine Handvoll Worte, von Jennifer an Anthony (und umgekehrt) wären. Allerdings ist dem nicht so. Tatsächlich waren es immer >irgendwelche<, aber dennoch real existierende, Nachrichten von den verschiedensten (anonymen) Menschen. Warum die Autorin die eingefügt hat, konnte ich nicht so recht nachvollziehen. Ich hätte es irgendwie schöner gefunden, wenn sie von Jennifer und Anthony gewesen wären. Aber gut.

Was ich hier aber wirklich, wirklich gut fand, war das Ende. Das war einfach nur schön, unglaublich rührend und voller Freude und Hoffnung. Damit war ich voll und ganz zufrieden.

Wer sich also für Geschichten über die Rolle der Frau in Gesellschaft & Ehe in den 1960ern, verpasste Chancen, Affären und eine ganz besondere, leidenschaftliche Liebe erwärmen kann, sich über einen flüssigen Schreibstil genauso freut wie ich und über eventuelle Startschwierigkeiten hinwegsehen kann, ist hier goldrichtig und sollte sich dieses Buch auf keinen Fall entgehen lassen!