Rezension

Liebevolles ABC-Chaos für Oma

Die Anarchie der Buchstaben - Kate DeGoldi

Die Anarchie der Buchstaben
von Kate DeGoldi

Bewertet mit 5 Sternen

„Kannst Du das Alphabet eigentlich noch in richtiger Reihenfolge?“, fragte Perrys Vater. „Wahrscheinlich schon“, sagte Perry. „Aber wer will das denn?“

Genau. Wer will das denn?! Spätestens als ich das Zitat auf dem Buchrücken las, war es um mich geschehen; ich war mir sehr sicher, dass mich diese Geschichte verzaubern würde. Und ich wurde nicht enttäuscht: Perry wächst einem im Laufe der Geschichte so richtig ans Herz, denn die väterliche Frage zielt auf ihr Projekt ab, das sie für ihre demente Großmutter im Altenheim macht. Weil Oma immer mehr vergisst, oft auch Perry selbst bzw. wer Perry genau ist, schreibt und malt Perry zu jedem Buchstaben des Alphabets Hinweise, die genau zu Oma passen und ihr beim erinnern helfen sollen. Sogar für so schwierige Buchstaben wie das „X“ findet sie wunderbar passende Begriffe.

Doch das Buch bietet noch so viel mehr. Es erzählt von gestressten Eltern, die das Beste für Ihr Kind wollen, von übervollgeplanten Wochentagen und der Kunst sich dennoch Zeit für Oma zu erkämpfen sowie von Hummeln, jede Menge Hummeln, die sanft das Thema Tod anklingen lassen.

DeGoldis Sprache ist einfach und auf den Punkt genau – und entwickelt dadurch eine ureigene Poetik, die wunderschöne und sehr oft witzige Passagen hervorbringt. Der Anteil an wörtlicher Rede überwiegt, macht aber auch die Lebendigkeit des Textes aus. Ob ein zehnjähriges Kind dabei restlos alle Repliken der Erwachsenen oder Anspielungen auf Sachverhalte versteht, vermag ich nicht zu sagen; es macht das Buch aber auf jeden Fall zu einer wertvollen Familienlektüre, die der Anstoß zu guten Gesprächen übers Alt-Werden und Sterben-Müssen sein kann.