Rezension

Ließ mich ziemlich kalt

Das Eis - Laline Paull

Das Eis
von Laline Paull

 

Das Abschmelzen der Polkappen ist soweit vorangeschritten, dass neue schiffbare Handelsrouten in den Sommermonaten entstehen. Äußerst lukrativ und zeitsparend und auf den ersten Blick weniger problematisch als transkontinentale Kanäle in politisch labilen Regionen der Welt. Die Kreuzfahrtschiffe sind ohnehin schon da. Die Arktis ist nicht mehr unberührte, menschenfeindliche Natur sondern Wirtschaftsraum, Tourismusgebiet, Teil der besiedelten Hemisphäre. Natürlich haftet ihr noch immer ein besonderer Nimbus an, noch immer ist sie gewaltig, ein beeindruckendes Szenario, noch können Menschen sich daran erinnern, dass dies vor kurzem noch nicht so war, alleine das Wort „Arktis“ immer einen Hauch von Abenteuer verbreitete. Gefahrlos ist sie auch nun nicht, Eisbären, so wenige es noch sind, bleiben gefährliche Raubtiere, Gletscherspalten unberechenbar. In eine solche stürzte fünf Jahre vor Einsetzen der gegenwärtigen Romanhandlung der Umweltaktivist Tom Harding. Zeuge seines Unfalls war sein Freund Sean Cawson. Wie er seit seiner Jugend fasziniert von den Expeditionsberichten und der Natur der Arktis, ist dieser Naturraum ihr Steckenpferd geworden. Ziel ihrer Träume und ihres Engagements. Doch zogen die beiden noch an einem Strang in dieser neuen, nutzbaren Arktis? Wie genau kam Tom Harding zu Tode? Die Ereignisse holen Sean nun ein, und er muss sich mit alten Dämonen, alten und neuen Wahrheiten auseinandersetzen.

Grundsätzlich eine absolut interessante Thematik in einem fantastischen Naturraum und in einer zwar nicht bezifferten, aber vorstellbaren sehr sehr nahen Zukunft. Leider weiß aber die Handlung an sich nicht zu fesseln und KEINE der handelnden Personen besticht für mich durch einen hohen Identifikationsgrad, oder sorgt für ausgeprägte Sympathien, ich fand sie im Grunde alle komisch, im Sinne von, wenig greifbar. Von daher kam auch bei mir wenig Empathie auf.

Vieles bleibt mir auch leider im kompletten Verlauf der Handlung unklar, z.B. warum es überhaupt zu einer gerichtlichen strafrechtlichen?zivilrechtlichen?/Untersuchung?/Anhörung?/Verfahren? kommt. Was ist der Aufhänger dazu? Nur der Leichenfund? Gab es denn nach dem Unglück/Unfall damals keine? Warum löst nun das Auftauchen der Leiche den Wunsch nach Aufklärung aus? Merkwürdig, zumal dann die Geschehnisse bei Gericht den gesamten Rahmen für das Erzählen der Geschichte in Rückblenden und aktuellen Geschehnissen darstellt. Das ist erst einmal gar nicht mal uninteressant und unspannend. Die Rückblenden haben mir dabei durchweg besser gefallen und auch die Tatsache, dass diese nur zu einem sehr langsamen Erkenntnisgewinn geführt haben, zunächst nur für den Leser, am Ende aber auch für den Protagonisten, denn das war sogar eigentlich sehr gut.

Was aber irgendwie am Ende bei mir übrigbleibt, ist die Ratlosigkeit darüber, was die Autorin dem geneigten Leser denn nun eigentlich mitteilen wollte. Denn man könnte auch reichlich negativ an die Sache gehen und ganz klar sagen: Nützt ja eh nichts? Egal ob Öko-Realo oder Öko-Fundi: es gibt immer einen, dem deine ganzen Bemühungen so meilenweit vom Allerwertesten entfernt sind, dass sie nur vermögen, ihm aus großer Distanz müde zuzuwinken? Selbst der, der in den Augen des Aktivisten schon längst selbst zum Ausbeuter im Namen der Ökologie geworden ist, ist nur Instrument der wahrhaft mächtigen, den ökonomischen Global Players, egal ob Mensch oder Konzern, egal ob auf Kosten humanitärer oder ökologischer Katastrophen? Jeder Mensch ist ein Eisberg? Das was er dir nicht zeigt, ist die Gefahr? Ich weiß es nicht und komme nicht dahinter, was ihre Intention ist. Dafür hatte das Buch einfach auch zu viele Längen, Widersprüchlichkeiten und hinterlässt leider offene Fragen im nicht-interessanten-spekulativen-sondern-eher-nervigen-Sinne bei mir…