Rezension

Lila erzählt ihr Leben

Die Märchenerzählerin - Monika Detering

Die Märchenerzählerin
von Monika Detering

Bewertet mit 4 Sternen

„...Ich bin nicht die Frau, die mit Stöcken durch die Wiesen rennt. Ich kann auch ohne sie gehen, und das sehr zügig...“

 

Das sagt die 76jährige Lila Oelmann von sich. Sie lebt seit knapp einem Jahr in einer Männer – WG und darf Hermanns Wohnung nutzen. Er war ihre große Liebe und ist plötzlich verstorben. Das Leben in der WG ist nicht einfach. Jeder hat seine Ecken und Kanten und ist geprägt von mehr als 75 Jahren Leben.

Lilas Gedanken beschreiben nicht nur das Jetzt und Hier. Sie gehen oft zurück in die Vergangenheit. Dort gibt es eine offene Wunde. Seit vielen Jahren hat sie nichts von ihrer Schwester Astrid gehört. Ab und zu bekam sie Kunstpostkarten ohne Name und Absender.

Die Autorin lässt in ihrem Buch anhand von Lilias Erinnerungen vor allem die ersten Jahre nach dem Krieg lebendig werden.

Das Buch zeichnet sich durch einen bildhaften Schriftstil aus – und es weckt auch beim Leser Erinnerungen.

Lilas Vater ist Musiker. Er ist kaum zu Hause. Astrid, die ältere Tochter, wird von der Mutter bevorzugt. Sie hat all das, was Lila fehlt: Schönheit, Zielstrebigkeit, Gehorsam. Dabei wird aber übersehen, dass Astrid aus diesem Grund auch glaubt, ein Anrecht auf Alles zu haben, dass sie möchte.

Lilas erste Ehe hält nicht lange. Der Grund steht hier:

 

„...Ich hatte es viel zu spät verstanden: Frank Finck wollte eine Frau, die nicht berufstätig war, die nicht studierte, die für ihn da war, wenn er nach Hause kam...“

 

Dann lernt Lila Konstantin kennen und schwebt auf rosa Wolken. Ein gemeinsamer Urlaub mit Astrid und Konstantin an der Nordsee aber öffnet ihr die Augen. Konstantin reist ab. Zwischen den Schwestern kommt es an einem Kanal zu einer Auseinandersetzung. Lila geht. Weder sie noch ihre Familie haben seitdem etwas von der Schwester gehört. Wie hatte ihr die Mutter einst gesagt?

 

„...Lila, sei mit deinen Wünschen vorsichtig. Vielleicht bekommst du, was du dir wünscht, aber dann stellt sich heraus, dass es nicht das ist, was du haben wolltest...“

 

Jetzt möchte Lila ihre Schwester gern noch einmal sehen. Sie fährt in die Niederlande an die Küste. Die Jahre haben auch dort Spuren hinterlassen. Das einstige Ferienhaus existiert nicht mehr.

 

„...Erinnerungen sind eingefroren, bewahren das Bild einer Situation, einer Gegend … Aber wie die sich verändert hat, kann die Erinnerung nicht sagen...“

 

Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Lilas Leben ging durch Höhen und Tiefen. Sie brauchte lange, bis sie ihren Weg gefunden hat. Sie hat sich aber eines bewahrt: Empathie und Verantwortungsbewusstsein. Das prägt ihre letzten Entscheidungen.