Rezension

Literarischer Foodporn?

Butter -

Butter
von Asako Yuzuki

Bewertet mit 3.5 Sternen

In dem Roman „Butter“ geht es um die Journalistin Rika aus Tokio, die Manako Kajii im Gefängnis besucht, um einen Artikel über sie zu schreiben. Manako Kajii steht in Verdacht, ihre zahlreichen Liebhaber nicht nur mit köstlichen Speisen verwöhnt, sondern auch umgebracht zu haben. 

„Diese Frau nutzte die Lücke im Herzen ihrer Opfer, die alle ein sehr einsames Leben führten.“ 

Rika möchte nicht nur dem ungewöhnlichen Fall und seiner Popularität auf den Grund gehen, sondern erhofft sich auch Wandlung für ihr festgefahrenes Leben. Über die Anschuldigungen will Manako Kajii in der Interviews allerdings nicht reden, sondern über ihre Kochkunst. Rika lässt sich darauf ein, obwohl sie sich nicht für Rezepte interessiert. Bei den Treffen im Gefängnis gibt die Inhaftierte den Ton an; sie hasse nichts mehr als Margarine und Diäten, was Rika verunsichert. Butter ist für Manako Kajii der Inbegriff der Köstlichkeit. Für die Recherche kauft sich Rika daraufhin Butter, beginnt für ihre Interviewpartnerin das zu tun, was sie nicht mehr kann, um ihre Beweggründe zu verstehen. Sie isst wie sie, und gerät immer mehr in den manipulativen Strudel der Anziehungskraft von Manako Kajii. 

„Es gibt etwas, das jede Frau von Manako Kajii lernen kann. Solange sie sanftmütig ist und gut kochen kann, wird sich jeder in sie verlieben." 

Immer wieder eine Rolle spielt die Bilderbuchgeschichte „Der kleine schwarze Sambo“, die 1928 von der schottischen Autorin Helene Bannerman veröffentlicht wurde. In diesem skurrilen Buch geht es um einen indischen Jungen und vier hungrige Tiger, die sich in Butter verwandeln und zu Pfannkuchen verarbeitet werden. 

In dem Roman gibt es um den Verfall traditioneller Esskultur, die Leidenschaft für Milchprodukte, Frauenfeindlichkeit, die Verarbeitung von Traumata, Freundschaft und Selbstfindung. Die wichtigste Botschaft lautet jedoch: Frauen sollen sich selbst akzeptieren können, wie sie sind und Wertschätzung dafür erhalten. An Gewicht zuzunehmen, ist in Japan ein Indiz dafür, dass man sich gehen lässt. Auch Rika muss sich einige Bosheiten gefallen lassen, obwohl sie vorher ungesund dünn war und sich mit ihrem neuen Gewicht wohlfühlt. 

Bildhaft und einnehmend schreibt die Japanerin Asako Yuzuki über Essen. Vom Einkaufen, über die Zubereitung bis zur Nahrungsaufnahme, ziehen einen ihre Beschreibungen über Geschmack, Konsistenz, Aussehen und Geruch in den Bann. Sie stellt die Sinnesfreunden und den Genuss in den Vordergrund und setzt die Entscheidung, nur zu essen, was einem schmeckt, mit Freiheit und Selbstbewusstsein gleich. Der Drang nach neuen Geschmackserlebnissen steht weit über ausgewogener Ernährung. Kochen ist keine Frage der eigenen Fähigkeiten, sondern der Prioritätssetzung und Sinnhaftigkeit. Auch der Austausch über Rezepte und Geschmackserlebnisse ist für die Autorin ein freudvoller Aspekt der Esskultur.  

„Ihre liebevolle Zubereitung und ihr Duft waren wie eine zärtliche Umarmung (…) und die saisonalen Zutaten hatten ihr Kraft für den nächsten Tag gegeben.“ 

Streckenweise fiel es mir schwer, am Ball zu bleiben. Die Handlung dümpelt dialogreich vor sich hin. Es gibt nur kleine Momente der Spannung, die sich wieder verflüchtigen. Ins Essen fließt die ganze Leidenschaft der Autorin - und hier liegt die Stärke des Romans. Die Einblicke in die japanische Kultur sind bereichernd gewesen und einige Abschnitte waren besonders unterhaltsam. Die Entwicklung von Rika ist bemerkenswert. Sie gewinnt an Selbstbewusstsein und beginnt, ihre Vergangenheit zu verarbeiten. Mir hat auch das Ende gut gefallen, die verhaltenen Beziehungen der Figuren, der kluge Schreibstil und der tiefsinnige Kontext, der das Buch lesenswert macht.