Lohnendes Gesellschaftsportrait
Bewertet mit 4 Sternen
Es ist nicht einfach nur ein feministisches Buch. Es ist eine Geschichte, die verschiedene Blickwinkel zulässt und zum ernsthaften Nachdenken anregt.
Am Anfang wusste ich nicht so recht, ob sich das Lesen wirklich lohnt. Ich bin kein Fan aggressiv formulierter feministischer Kampfansagen. Hätte sich das Buch auf einen solchen Ton verlassen, wäre ich wahrscheinlich enttäuscht gewesen. Zwar bezieht das Buch klar Stellung, kritisiert und appelliert, aber es ist kein einseitig gehaltener Aufruf zur Rebellion. Stattdessen erzählt die Autorin die Geschichte aus Sicht mehrerer Frauen selbstkritisch, vielschichtig und offen zum Diskurs. Damit hat mich das Buch überzeugt.
Inspiriert wurde die Geschichte wohl von der MeToo-Debatte und Prozessen, wie dem um Harvey Weinstein. Das Buch erzählt von mehreren erfolgreichen Karrierefrauen, die von ihrem Chef sexuell belästigt werden. Die Frage, die sich ihnen nun stellt, ist ganz einfach: Was sollen sie tun? Aber sie ist keinesfalls leicht zu beantworten, wie das Buch klar macht. Ich fand das sehr interessant zu lesen und hatte trotzdem nicht das Gefühl eine Moralpredigt oder einen Ethikessay zu lesen. Stattdessen wurde ich gut unterhalten.
Zugegeben, am Anfang viel es mir schwer, die verschiedenen Frauen auseinanderzuhalten und richtig zuzuordnen, wem was passiert ist, wer mit wem verheiratet ist und wer welche Kinder hat. Aber das hat sich schnell gelegt. Auch der Wechsel in der Erzählung hat mich zu Beginn irritiert – da sind die Abschnitte, die in der Wir-Perspektive die Gesellschaft portraitieren, die Gerichts- und Befragungsprotokolle, die Kommentare und die Erzählungen der vier Frauen selbst. Letztendlich ist es aber genau diese Mischung, die die Geschichte spannend macht und einen umfänglichen Blick auf das Thema erlaubt.
Mich hat das Buch auf jeden Fall zum Nachdenken gebracht und am Ende war ich mir sicher, dass die Lektüre eine gute Entscheidung war.