Rezension

London - jenseits von Tower und Big Ben

London NW - Zadie Smith

London NW
von Zadie Smith

Die englische Autorin Zadie Smith wurde im Londoner Nordwesten, genauer in Willesden (postalisch London NW), geboren und ist dort aufgewachsen. Früher ein Arbeiterviertel, in dem die Bewohner überwiegend europäische Wurzeln hatten, ist Willesden seit den sechziger Jahren geprägt durch den Zuzug von Einwanderern aus Indien und der Karibik, und bildet bereits in Smith früheren Veröffentlichungen den Hintergrund für ihre Romane.

Ein buntes Völkergemisch, hohe Arbeitslosigkeit, verwahrloste Sozialbauten, Armut, kaum eine Zukunftsperspektive für junge Menschen – manche verharren zeit ihres Lebens dort, andere bemühen sich, dieser Umgebung zu entkommen. Und es ist nicht die ethnische Herkunft, die den Unterschied macht, der Schlüssel ist einerseits Bildung und Anpassung, andererseits aber auch Ehrgeiz und das bewährte Quäntchen Glück.

Smith erzählt die Geschichten von vier jungen Londonern Mitte dreißig: Felix und Nathan sowie Leah und Keisha. Sie kennen sich seit den gemeinsamen Schultagen in Caldwell, doch ihre Wege trennen sich bald. Leah und Keisha studieren, wobei nur letztere ihr Studium abschließt, ihren Vornamen in Natalie ändert, weil dieser „weißer“ klingt, einen Banker heiratet und als Juristin tätig ist – eine Bilderbuchkarriere sozusagen. Auch Leah lebt in gesicherten Verhältnissen, sie arbeitet nach einem abgebrochenen Studium als Sozialarbeiterin und lebt ihren Traum vom Glück in trauter Zweisamkeit mit ihrem Mann Michel. Das Leben von Felix beginnt sich allmählich zu normalisieren, denn er hat es endlich mit Hilfe seiner Freundin geschafft, die Drogen hinter sich zu lassen. Nur Nathan schafft den Absprung nicht und verdient sein Geld weiterhin mit dem Verkauf von Drogen und als Zuhälter.

Eine gemeinsame Vergangenheit, vier Menschen, vier Lebensentwürfe – Zadie Smith erzählt diese Geschichte in fünf Teilen, jeweils ein Teil für die Protagonisten sowie dem abschließenden Kapitel, in dem die im Verlauf des Romans ausgestreuten Steinchen zu einem Mosaik zusammengelegt werden. So verschieden die vier Menschen sind, so verschieden ist auch der Tonfall ihrer zugehörigen Schilderungen, in denen die Autorin zwar sehr genau beobachtet, aber auch distanziert und fast schon emotionslos das Verhalten ihrer Hauptfiguren beschreibt.

Und dennoch kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass unter dieser kühlen Oberfläche die kaum verhaltende Empörung, ja vielleicht auch Wut der Autorin mitschwingt, die es aber dem Urteil des Lesers überlässt, der Ungerechtigkeit des Bildungssystems, der mangelnden Chancengleichheit und dem Versagen der Politik zu grollen.

Kommentare

M.C. kommentierte am 29. August 2014 um 14:28

Ich konnte das Buch nicht zu Ende lesen, der Schreibstil und auch Inhalt und Personen  haben sich mit nicht geöffnet.