Rezension

Lost and Found

Wendy & Peter. Verloren im Nimmerwald -

Wendy & Peter. Verloren im Nimmerwald
von Aiden Thomas

Bewertet mit 4.5 Sternen

Keine meiner Theorien kam auch nur Ansatzweise an die Auslösung heran - und die war ganz nach meinem Geschmack!

Fünf Jahre ist es her, dass Wendy Darling allein im Wald gefunden wurde. Verdreckt, verängstigt und ohne Erinnerung an die letzten Monate. Ihre Brüder John und Michael bleiben verschwunden. An Wendys 18. Geburtstag scheint das Unglück sich zu wiederholen, als nach und nach erneut Kinder spurlos verschwinden und Wendy auf einen Jungen trifft, der ihr unheimlich bekannt vorkommt. Bis auf eine Kleinigkeit - denn er ist kurz davor, erwachsen zu werden...

„Wendy & Peter - Verloren im Nimmerwald“ ist ein Jugendbuch von Aiden Thomas.

Diese Neuerzählung des Kinderbuchklassikers „Peter Pan“ ist wirklich gut gelungen. Um sich vom Original abzugrenzen gibt es ein paar interessante Twists. Es spielt nach den Ereignissen des Originals und spinnt die Geschichten mit leichten Veränderungen weiter. Wir befinden uns jedoch nicht im London des 19. Jahrhunderts, sondern in der Gegenwart, in einem kleinen amerikanischen Dorf am Waldrand.

Wendy hat in ihrem jungen Leben bereits viel gesehen, auch wenn sie sich zunächst nicht daran erinnert. Sie hat ein traumatisches Erlebnis hinter sich und handelt dementsprechend. Ich habe sie mir optisch immer wie Molly Ringwald in Breakfast Club vorgestellt:)

Eine ganz besonders wichtige und gelungene Rolle nehmen Wendys Eltern, Mr und Mrs Darling, ein. Zunächst finde ich es stilistisch gut umgesetzt, dass man die beiden weiterhin nur unter diesem Namen kennt, obwohl durchgehend aus Wendys Perspektive geschrieben wird. Außerdem schafft Aiden Thomas es, das Trauma von Eltern, die zwei ihrer Kinder verloren haben, unfassbar realistisch darzustellen. Es wird nichts beschönigt, die beiden sind innerlich kaputt und nicht mehr die Vorzeige-Eltern, die sie vielleicht einmal waren.

Beim Bösewicht handelt es sich erfrischenderweise nicht um Kapitän Hook, sondern um einen allseits bekannten, an den Fersen leicht zerrissenen Schatten...

Der Schreibstil ist nicht allzu anspruchsvoll und lässt sich daher auch gut noch abends lesen, vorausgesetzt, man verkraftet die leichte Gruselstimmung.

Dieses Buch habe genüsslich über einen langen Zeitraum konsumiert, ich habe aber nie den Überblick darüber verloren, was zuletzt passiert ist. Seit langem wollte ich nicht mehr so dringend wissen, wie eine Geschichte weitergeht. Das liegt an den vielen offenen Fragen, auf die man als Leser endlich eine Antwort bekommen möchte.

Ich hatte einige Theorien für das Finale, aber keine davon kam auch nur ansatzweise an die schlussendliche Offenbarung heran. Nur einen winzigen Aspekt davon habe ich kommen sehen, der Rest konnte mich vollkommen verblüffen. Es handelt sich um eine Auflösung ganz nach meinem Geschmack - unvorhersehbar, ungeschönt und komplex. Außerdem werden heilsame Aussagen in Bezug zu Schuld und Gnade getroffen.

Immer wieder konnten mich Abschnitte zum Schmunzeln bringen, darunter die allseits bekannte Debatte über die Relevanz von Vanilleeis oder auch eine Anspielung auf meinen liebsten Weihnachtsfilm (den Wendy jedoch aus unerfindlichen Gründen nicht leiden kann). Es gibt immer wieder kleine Eastereggs in Form von Anspielungen auf das Original, die Kennern viel Spaß bereiten.

„Wendy & Peter - Verloren im Nimmerwald“ lohnt sich nicht nur für Fans von „Peter Pan“ und ist die perfekte Lektüre für die Halloween-Zeit!