Rezension

Lummerland ist abgebrannt

Angel Island -

Angel Island
von

Bewertet mit 3.5 Sternen

Jemand reif für die Insel? Hat jemand Interesse an einem beschaulichen Urlaub in ruhiger Lage, umgeben von Meer und inmitten netter Leute? Dann willkommen auf Angel Island, diesem wunderbaren Fleck irgendwo im Nirgendwo. Nirgends ist die Welt freundlicher, schöner und angenehmer, nirgends ... außer zu Halloween. An Halloween geht die Sonne unter und nicht für alle wieder auf. Oh. Ich fürchte, nach der Lektüre dieses Buches könnte man fast zweifeln, ob es jetzt überhaupt noch Leute auf der Insel gibt. Denn zu Halloween ist der Schleier, der die Lebenden von den Toten trennt, dünner als sonst und nirgendswo so dünn wie hier. In dieser Nacht erwacht das unsäglich Böse ... und acht Autoren haben sich daran gemacht uns zu erzählen, WIE böse das Böse ist. Wollen wir doch mal sehen, wie ihnen das gelungen ist.

Die Geschichten in der Einzelkritik:

Die Mission des Titus Brown - Michael Marcus Thurner: Ein Fremder kommt auf die Insel, ausgerechnet zu Halloween, und er bringt Referenzen von Justines Mentor mit sowie die Botschaft, dass nur er und Justine das Böse aufhalten können, das in dem Höhlensystem existiert, welches Justine so gut erforscht hat. Um es mal unanständig zu sagen: Das Höhlensystem hat Titus Brown auch ganz gut bei Justine erforscht, weshalb sich das Ganze teilweise las wie der feuchte Traum eines frustrierten Autors. Mich störten altmodische Ausdrücke in einem modernen Setting und die Vorhersehbarkeit des Ganzen. 2,5/5 Punkten.

Prayer's Rock - Malte S. Sembten: Ein Autor, der einen schrecklichen Schicksalsschlag erlitten hat, möchte auf Angel Island einen Bestseller schreiben und kommt stattdessen mysteriösen Ereignissen auf die Spur. Bei seinem Versuch, ihnen auf den Grund zu gehen, muss er aufpassen, nicht draufzugehen. Oder? Einfallsloser und zu langatmiger Einstieg, aber spannendes Ende bis ... ja, bis zum Epilog. Wer braucht bei einer Kurzgeschichte einen Epilog? Ich möchte diesen Epilog nehmen und dem Autor um die Finger wickeln, auf dass er nie wieder einen nach dem guten Ende einer Kurzgeschichte schreibt. 3/5 Punkten.

Tommyboy - Hendrik Schmitz: Tommy war endlich mal ein Protagonist, mit dem ich mitleiden konnte. Nicht, dass ich ein 90 kg schwerer, gemobbter Junge wäre, aber der Autor hat es geschafft, mir seine Nöte nahe zu bringen. So viel Tod um Tommyboy, aber irgendwie ... na, fast tat er mir leid. Wobei ich auf die Verbeugung vor King hätte verzichten können, Stichwort Shining. 4/5 Punkten.

Masken des Hasses - Jörg Kleudgen: Harold Webster betreibt den Tante-Emma-Laden auf Angel Island. Eigentlich ein Fremder, wurde er mit offenen Armen aufgenommen. Umso unbegreiflicher ist, was plötzlich in seiner Umgebung passiert. Kinder sehen hasserfüllt aus, böse Streiche in der Schule verlangen mehr Verbandszeug und dann explodiert geradezu Mord und Totschlag um ihn herum. Sympathischer Protagonist, fast durchweg spannend. 4/5 Punkten.

Katharsis - Sunny Meury: Die kürzeste Geschichte, aber in der Kürze liegt ... na, ihr wisst schon. Ein junges Mädchen, ein alter, lüsterner Pastor - wenn das kein Horror ist, weiß ich auch nicht weiter. Mit einem Epilog, der keiner war (kriegt man Epiloge irgendwie kostenlos bei der Bastei-Lübbe-Masterclass hinterhergeworfen oder was?) und einem coolen letzten Satz. 4,5/5 Punkten.

Banshees weinen nicht - Grita Graus: Ok, was bitte hat diese Geschichte in dieser Anthologie zu suchen? Mir ist nicht mal die Verbindung zu Angel Island klargeworden. Es ist eine gut geschriebene, süße, kleine Fantasygeschichte, aber sie eignet sich nicht mal als Kindergrusel. Als normale Kurzgeschichte in einem Jugendbuch durchaus 4 Punkte wert, unter diesen Voraussetzungen jedoch wacklige 2,5 Punkte.

Der Preis - Stephan Reinbacher: Sehr gut gefallen haben mir hier gewisse Überschneidungen zu Kleudgens Masken des Hasses. Eine Lehrerin an der hiesigen Schule soll einen Preis für vorbildliches Lehren bekommen - ausgerechnet zu Halloween. Und plötzlich hört sie nicht nur Stimmen, sondern die Kinder in ihrer Obhut werden mörderisch. Doch nicht nur die Kinder, und plötzlich muss diese Lehrerin, die weiß, wie sich der Tod anfühlt, um ihr eigenes Leben fürchten. Horror pur, wenn die lieben Kleinen durchdrehen. Wobei ich mich frage, wie so eine Insel auf über 400 Kinder in der Grundschule kommt. Haben die Leute dort noch andere Hobbys? 4/5 Punkten.

Die Mauern von Ronwick Abbey - Jürgen Scheiven: Und wieder mal ein Priester, dieses Mal ein wahrer Mann Gottes, den wir auf seinem nicht nur schweren, sondern auch zweifelnden und fürchterlich schmerzhaften Weg begleiten, das Böse zu bekämpfen. Durchaus gut geschrieben, doch irgendwas fehlte mir, ich kann nicht mal genau den Finger drauf legen. Außerdem war der letzte Satz mehr als überflüssig. 3,5/5 Punkten.

Fazit: Eine - wie es halt meistens ist - durchwachsene Anthologie, in der von super bis na jaaaaaa alles vertreten ist. Nett für zwischendurch, aber nichts, was für längere Zeit nachhallen wird. Gesamtwertung 3,5 Punkte.