Rezension

lustig

Schantall, tu ma die Omma Prost sagen! - Kai Twilfer

Schantall, tu ma die Omma Prost sagen!
von Kai Twilfer

Ja, ich habe gesündigt und es gelesen! Zugegebenermaßen bin ich ein Mensch, der ganz gerne mal über Klischees lacht, selbst dann, wenn sie mich selbst betreffen würden. Ich bin zwar nicht wie ‚Schantall‘ aber dennoch gibt es ja immer Klischees, die zutreffen, ob man will oder nicht. Diese vollgepackte Ladung an Klischees die Kai Twilfer hier eingebaut hat ist meines Wissens nach auch der größte Kritikpunkt, den andere so nehmen. Aber mal ganz ehrlich: wer kauft bitte ein Buch, welches so heißt und einen derartigen Klappentext/Leseprobe hat und meckert dann über Klischees? Wer eine fachkundige Lektüre über irgendwelche Analysen des Kevinismus lesen wollte, sollte schon beim Titelbild umkehren. Daher stören mich diese ganzen Klischees und Vorurteile null. Im Gegenteil, ich musste teilweise wirklich schmunzeln und auch lachen. Allerdings war das lachen eher rar gesät, denn ‚Schantall tu ma die Omma winken‘ ist weniger lustig, als traurig. Und traurig auch nicht im herkömmlichen Sinne, sondern eher insofern, dass so ziemlich jedem von uns solche Begebenheiten bekannt vorkommen sollten, wenn auch vielleicht nicht von einem selber. Um ein Beispiel zu nennen: Haben wir nicht alle schon erlebt, wie top gestylte Jung-Mütter mit plärrendem Kind vor dem Einkaufscenter stehen und genüsslich eine rauchen? Na also J Ich muss dazu aber auch sagen, dass man dieses Buch einfach nicht zu ernst nehmen sollte, die Vorurteile sind stark überspitzt und auch nicht immer realistisch, dennoch kann man sich eine solche Chaos-Familie durchaus vorstellen.
Den Schreibstil empfinde ich als angenehm, denn ich hatte schon Angst, dass der Autor sehr in die Fäkalsprache abdriftet, um das Ganze passender zu gestalten. Dem ist nicht so! Eher erzählt er trocken-ironisch. Ich habe bei einer Amazon-Rezension gelesen, dass jemand den Stil als gehässig und abgehoben beschreibt. Ich finde das nicht so, klar, durch die Klischeebombe fühlt man sich irgendwie erhaben und besser als Familie Pröllmann, dennoch schafft es Kai Twilfer, dass ich Schantall und Co dennoch irgendwie sympathisch finde. Ich habe nicht den Eindruck, dass er möchte, dass man sie hasst oder bereits vorhanden Hass und Vorurteile anstachelt. Im Gegenteil, sein Protagonist ist sogar sehr dicke mit den Pröllmanns und schwärmt unterschwellig sogar von ihnen.
Ich weiß, ich rede zu viel über Klischees – aber hey, das Buch lebt nun mal davon. Und um dem letzten Klischee-Meckerer zumindest ein wenig den Wind aus dem Segel zu nehmen: Ist es nicht tatsächlich oftmals so, dass, ich nenne es mal liebevoll ‚Menschen mit weniger Geld‘, beinahe immer eine sehr dicke ‚Glotze‘ und oftmals sogar eine getunte ‚Karre‘ besitzen, dennoch bei wichtigeren Dingen sparen wo sie können? Oder Rauchen und dennoch meckern, dass das Geld nicht für Lebensmittel reicht? Und wer sich nun selbst ein wenig ertappt, mich inklusive, dem sei noch gesagt, dass Kai Twilfer sogar erwähnt, dass ein wenig Schantall in jedem von uns steckt. Und das sehe ich definitiv auch so! Mir hat er bewusst gemacht, dass viele Klischees, die wir hartz-4 Empfängern und co entgegenbringen, auch auf uns selbst zu treffen, und genau dieses wollte uns der Autor auch nahe bringen. Ich möchte ihn nicht zu sehr in Schutz nehmen, denn natürlich ist das Buch teilweise sarkastisch böse, aber mir gefiel es nun mal.
Was mir allerdings nicht so wirklich klar wird, wieso ein Beamter ausm Kulturbüro plötzlich als Sozialarbeiten arbeiten MUSS, also nicht freiwillig, sondern für ein Jahr gezwungen. Das kommt mir sehr abwegig vor. Als dieses Jahr rum ist, möchte unser ‚unerschrockener Sozialarbeiter‘ im Übrigen nicht zurück in sein Büro, was für mich bestätigt, dass Kai Twilfer solche Familien nicht verabscheut.
Wer einfach nicht über den Dingen stehen kann und alles für bare Münze hält, sollte die Finger von diesem Buch lassen. Denn man muss definitiv Abstand gewinnen und sich bewusst machen, dass es sich um ein ironisch-sarkastisches Buch handelt. Wer allerdings auch mal über sich selbst lachen kann und kein Problem mit Klischees hat, dem kann ich ‚Schantall tu ma die Omma winken‘ ans Herz legen.