Rezension

Macht wütend und ist beängstigend - aber auch verdammt gut und spannend!

Vox - Christina Dalcher

Vox
von Christina Dalcher

Jean ist 43 Jahre alt, verheiratet und Mutter von drei Söhnen und einer sechsjährigen Tochter. Ihr Mann Patrick geht als Berater des US-Präsidenten im weißen Haus ein und aus, während Jean seit einem Jahr das Arbeiten verboten ist. Die promovierte Linguistin hat einst an einem Heilmitteln für die Wernicke-Aphasie geforscht, eine Sprachstörung, bei der die Betroffenen zwar noch sprechen können, jedoch die Bedeutung der Wörter nicht erkennen und recht sinnfreie Wörter und Sätze bilden. Gemeinsam mit ihrem Team hat Jean ein Gegenmittel entwickelt, wurde jedoch von der neuen Regierung unterbrochen, bevor dieses richtig ausgetestet werden konnte.

Vor einem Jahr bekamen Jean und alle anderen Frauen und Mädchen in der USA ein Armband angelegt, welches die gesprochenen Wörter zählt. Nur noch hundert Wörter darf jede Frau sprechen, darüber hinaus verpasst ihr das Armband Stromschläge die sich in ihrer Intensität steigern, je mehr das Limit überschritten wird. Neben dieser radikalen Einschränkung ist ihnen auch die Zeichensprache und das Schreiben verboten, sogar der Briefkasten ist verschlossen, da nur der Mann des Hauses die Post in Empfang nehmen darf. In den Schulen wird den Kindern die Normalität des neuen Alltags und der neuen Regeln gelehrt, und das Ende der Fahnenstange scheint längst nicht erreicht zu sein, ungehorsame Frauen werden öffentlich gedemütigt und in Arbeitslager geschickt. Der Zählerstand ihrer Armbänder steht ständig auf Null. 

Dann hat der Bruder des Präsidenten einen Unfall, eine Hirnblutung hat eine Wernicke-Aphasie verursacht und Jean soll mit ihrem Team weiterforschen, um die Sprachstörung von Bobby Myers zu heilen. Für die Zeit wird ihr und ihrer Tochter Sonia das Wörter zählende Armband entfernt und sie darf Sonia zu Hause unterrichten. Im Labor trifft sie auf ihr einstiges Team, bestehend aus Lin und Lorenzo. Doch auch im Labor werden die drei überwacht und unter Druck gesetzt. Schnell wird klar, dass es die Regierung nicht die ganze Wahrheit rausrückt und dass Jean scheinbar auch ihrem Mann Patrick nicht trauen kann.

Meine Meinung: Dieses Buch hat mir einiges abverlangt. Von den ersten Seiten an war ich wütend über die Demütigung der Frauen, über das Machtspiel der Männer und vor allem über die Sinnlosigkeit der neuen Gesetze. Frauen wird eingeredet, sie seinen die "gottgewollte Bewahrerin des Heims", und das wäre doch "das Verantwortungsvollste und Königlichste, was einer Sterblichen zuteil werden kann". Mir kam beim Lesen mehr als einmal die Galle hoch. 

Ich habe immer wieder darüber nachgedacht, ob sowas tatsächlich passieren könnte. Natürlich ist die Geschichte rein fiktiv, aber spätestens nachdem die USA diesen aktuellen Präsidenten tatsächlich gewählt haben, was ich vorher für völlig abwegig gehalten habe, scheint mir kaum etwas unmöglich zu sein. VOX zeichnet eine verdammt beängstigende mögliche Version der Zukunft, die stark an vergangene düstere Kapitel erinnert.

Mit Dr. Jean McClellan hat die Autorin eine interessante Protagonisten entwickelt. Eine hochintelligente Forscherin in der Linguistik und Mutter von vier Kindern, welches unter der neuen Regierung mit ihren Regeln neue Sorgen mit sich bringt. Geködert mit Geld, und vor allem dem Entfernen der Wortzähler, ist sie bereit, für den Bruder des Präsidenten das Heilmittel zu vollenden. Doch letztendlich wird sie unter Druck gesetzt und muss Entscheidungen treffen, die den Tod geliebter Menschen bedeuten können. 

Mehr als einmal hab ich mich gefragt, warum man Frauen die Stimme und viele ihrer Rechte nimmt, meine einzige Erklärung ist, weil MANN es kann. Wenn Männer Schwächen mit protzigen Autos kompensieren, warum dann nicht auch damit, Frauen zu unterdrücken? 

VOX ist ein sehr spannender Roman, Science Fiction, Dystopie, aber auch ein bisschen Wissenschaftsthriller, die ich schon immer gerne gelesen habe. Eine Geschichte über starke Frauen, denen die Stimme genommen wird, und die auf verschiedene Art dagegen aufbegehren. Aber es gibt auch die Frauen, die diese Entsetzlichkeit hinnehmen und sich gerne in die Rolle des vermeintlich schwachen Geschlechts und Hausmütterchens zurückziehen. 

Mein Fazit: Absolute Empfehlung! Als Frau hätte ich dieses Buch mehr als einmal am liebsten gegen die Wand gedonnert, aber ich liebe es, wenn eine Geschichte meine Emotionen zum Kochen bringt. Leichter Schreibstil, spannende und interessante Story, keine Längen.