Rezension

Männer zwischen Fortgehen, Loslassen und Bewahren

Ein feiner Typ - Willy Vlautin

Ein feiner Typ
von Willy Vlautin

Bewertet mit 4 Sternen

Der alte Eldon Reese ist ein feiner Typ. Er und seine Frau nehmen den Jugendlichen Horace bei sich auf, der in katastrophalen Verhältnissen bei seiner Großmutter lebt, und übernehmen die Vormundschaft für ihn. Mr Reese ist inzwischen über 70 und schafft die schwere Farmarbeit nicht mehr. Einen Nachfolger für die Farm der Reeses irgendwo nördlich von Las Vegas gibt es nicht, wie bei vielen anderen Farmern auch, deren Kinder keinen Partner finden oder in die Stadt ziehen. Horace ist inzwischen erwachsen und auf der Farm unentbehrlich. Er und Mr Reese wirken äußerst zufrieden damit, wie sie mit ein bis zwei mexikanischen Schafhirten den Betrieb in Gang halten. Doch Horace ist so oft als irisch-indianisches Halbblut gedemütigt worden, dass er es endlich allen zeigen will. Er will Box-Champion werden und zwar ein mexikanischer, weil das die besten Boxer sein sollen. Horace bringt es nur schwer übers Herz, seine Pflegeeltern, die Farm und die Tiere zu verlassen. Doch angefeuert durch ein Motivationsbuch will er die Sache durchziehen. Mr Reese kennt Horace gut genug, um vorauszusehen, dass der Junge scheitern könnte und sich als Verlierer nicht mehr zurück auf die Farm wagen wird.

Das Problem der drei Personen scheint unlösbar. Horace, der bisher nur in Tonopah/Nevada und auf der Farm in der Nähe gelebt hat, muss in der Welt der Städte und des Boxens eigene Erfahrungen sammeln. Selbst ein noch so geschickter Versuch der Reeses, Horace zurückzuhalten, wäre nutzlos gewesen, wenn der Junge einfach weg will. Der alte Reese muss sich seine schwindenden Kräfte eingestehen, und allen Figuren wünscht man als Leser ein menschenwürdiges Leben. Während Reese die Weichen für die Zukunft seiner Farm stellt, als gäbe es kein Morgen, muss Horace einsehen, dass er auf die Welt da draußen nicht vorbereitet war.

Billy Vlautin zeichnet einen unlösbaren Konflikt zwischen Weggehen, Loslassen und Bewahren, den es so in jeder Kultur und in jedem Zeitalter geben kann. Die Handlung spielt in der unmittelbaren Gegenwart im Jahr X nach den Tributen von Panem. Sein moderner Western wartet mit Figuren auf, die entweder zu fürsorgliche, zu langmütige oder zu korrupte, zu egoistische Kerle sind. Differenziertere Figuren hätten vielleicht zum Ende der Geschichte hin das Kippen ins Pathos mildern können. Ich habe den Roman gern gelesen, weil Horaces und Eldon Reeses Probleme so allgemeingültig sind.