Rezension

Märchen...aber eben ein bisschen anders...

Eine dunkle & grimmige Geschichte - Adam Gidwitz

Eine dunkle & grimmige Geschichte
von Adam Gidwitz

Bewertet mit 4.5 Sternen

Du hast gedacht, dass Märchen langweilig sind?
Du hast gedacht, dass Märchen etwas für kleine Kinder sind?
Dann hast du dich definitiv getäuscht!

Mit Eine dunkle & GRIMMige Geschichte greift der amerikanische Autor den Stoff der Grimm'schen Märchen auf und verpackt sie in ein neues, gruseligeres Gewand. Helden der Geschichte sind Hänsel und Gretel, die von zu Hause weglaufen und daraufhin zahlreiche Abenteuer bestehen müssen! Sie treffen auf Drachen, Hexen und andere gefährliche Wesen, die man mitunter aus den Grimm'schen Märchen kennt.
Und das sind sicherlich keine Geschichten für Angsthasen...

MEINE MEINUNG
Zuerst muss ich bei diesem Buch die Aufmachung loben: das Cover ist optisch schon einmal sehr faszinierend gestaltet und die Scherenschnitt-Elemente passen meiner Meinung nach sehr gut zum Märchenstoff. Und auch im Buch setzt sich - typisch für Ars Edition - die passende Gestaltung fort. So finden sich auch Scherenschnitte am Anfang der Kapitel, die den Leser somit auf die Atmosphäre einstimmen. Durch diese Illustrationen von Hugh D'Andrade stellt das Buch für mich auch einen gelungenen Übergang von Kinder- zu Jugendlektüre dar. Es ist kein typisches Märchenbuch mit Zeichnungen von Prinzessinnen. Aber es ist eben auch kein Buch, in dem nur der Text im Vordergrund steht. 
Der Autor Adam Gidwitz hat sich die Freiheit genommen, sich auf modernere Weise mit dem Märchenstoff der Gebrüder Grimm auseinandersetzen. Konzept seines Buches gefällt mir dabei sehr. Hänsel & Gretel sind gut ausgewählte Protagonisten und die einzelnen Geschichten gehen flüssig ineinander über. Charaktere und Verhandlungsverläufe bleiben natürlich (märchengetreu!) stereotypenhaft und vorhersehbar, aber zumindest sind die Helden hier nicht perfekt und unverwundbar und auch der stärkere Zusammenhalt zwischen den Geschwistern hat mir hier gefallen. So hat Gidwitz die typischen Märchen-Elemente beibehalten, dem ganzen aber gleichzeitig seinen stilistischen Stempel aufgedrückt. Dies funktioniert deshalb so gut, weil Gidwitz mit einer Prise Ironie und schwarzem Humor an die Sache herangeht. 
Mir ist bewusst, dass der pädagogische Leser hier und da seine Stimme erheben wird um zu klagen, dass das Buch zu blutig und furchterregend für jüngere Kinder sei. Dem muss ich teilweise zustimmen, denn auch ich fand es schockierend zu lesen, wie Eltern ihren Kindern mit einer Axt den Kopf abschlagen, oder wie Gretel sich selbst einen Finger abhackt...Allerdings darf man einerseits nicht vergessen, dass Gidwitz die originalen Volksmärchen der Grimms zur Vorlage nahm, und diese haben mit den heutigen pädagogisierten Varianten auch weniger zu tun. Und andererseits kam bei mir auch die Frage auf, ob Kinder in unserer heutigen, medienbeeinflussten Welt vielleicht auch mehr vertragen können / müssen. Vielleicht fühlen sich Kinder durch das Buch auch ernster genommen?
Die Frage, ob das Buch für das angegebene Alter zu gruselig sei, lässt sich deshalb schwerlich beantworten und hängt sowohl vom Entwicklungsstand des Kindes als auch vom Bekanntheitsgrad der originalen Grimm-Märchen ab. Meiner Meinung wird aber auch der Grusel-Faktor der Geschichten durch die dazwischengeschalteten Kommentare des Erzählers wieder ein wenig abgemildert. Dennoch sollten Eltern das Buch ihrem Kind nicht einfach in die Hände geben, ohne vorher selbst einmal hineingelesen zu haben. Letzteres würde ich aber nicht nur vorschlagen, sondern sogar empfehlen, denn Gidwitz' ironischer und sarkastischer Stil, der hier und da unterschwellig ins Gesellschaftskritische und Politische deutet, wird auch erwachsenen Lesern gefallen! Ich hatte auch das Gefühl, dass Gidwitz das Buch bewusst für Kinder und Erwachsene geschrieben hat, denn die Wortwahl & Ausdrucksweise geht hier und da doch über den Horizont eines Zehnjährigen hinaus. 

FAZIT
Ein unterhaltsames und gruseliges Buch, welches Jungen und Mädchen gleichermaßen gefallen wird und auch bei Erwachsenen die Lust auf Märchen wieder entfacht. Gidwitz greift Ideen und Motive der Gebrüder Grimm gekonnt auf, ohne zu viel zu kopieren oder ohne die Originale zu verschandeln. Ein Buch, welches sich sehr zum gemeinsamen Lesen eignet, für Zehnjährige Kinder wohl aber nur bedingt zu empfehlen.