Rezension

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Märchenhafte Geschichte von einer jungen Frau, die anderen Menschen in die Seele blickt und sich selbst noch nicht gefunden hat

Juli verteilt das Glück und findet die Liebe - Tanja Kokoska

Juli verteilt das Glück und findet die Liebe
von Tanja Kokoska

Bewertet mit 4.5 Sternen

Juli Mahlo ist nicht ganz von dieser Welt. Sie liebt es, inmitten vertrauter Dinge zu sein, besonders in ihrem Blumenladen, eingehüllt von tausenderlei Farben und Düften. Und sie fürchtet das Schweigen nicht, das sie umgibt. So still sie selbst ist, so groß ist ihre Gabe, andere zum Sprechen zu bringen. So gelingt es ihr immer wieder, Menschen von einer dunklen Erinnerung zu befreien. Nur ihrem eigenen Glück steht Juli im Weg. Dann lernt sie Oskar kennen, der so schön ist wie Gregory Peck. Bei ihm fühlt sie sich geborgen, und es scheinst, als wäre für Juli die Zeit des Alleinseins endlich vorbei. Doch sie ahnt nicht, dass die Liebe sie zu einem Geheimnis aus ihrer eigenen Familie führen wird.

Schon der Klappentext gibt dem Leser einen Hinweis wie die Autorin mit der Sprache zu spielen versteht. Die Art wie diese Geschichte erzählt wird ist eine ganz besondere. Es schwingt bei ihrer Hauptfigur Juli immer eine gewisse Unschuld mit, die für eine erwachsene Frau doch recht ungewöhnlich ist. Juli ist eine sehr ungewöhnliche aber ausgesprochen liebenswerte Person, die die Gabe hat ihren Mitmenschen in die Seele zu schauen. Man hat den Eindruck, wenn sie Menschen begegnet nimmt sie auch deren leiseste Schwingungen wahr und ist eine meisterhafte Zuhörerin. Und sie tut noch mehr als einfach zuzuhören, sie versucht ihren Begegnungen in ihren Nöten zu helfen. Das ist wirklich anrührend.

Diese Gabe mit Menschen umzugehen muss ihr entweder schon in die Wiege gelegt worden sein, oder sie hat es gelernt in den Jahren, in denen sie zu Hause Mutter und Großmutter gepflegt hat. Viel Kontakt zu anderen Menschen hat sie nämlich nie gehabt. Sie lebt recht abgeschirmt in den alten Möbeln noch mit Wählscheibentelefon und ganz ohne Internet und trifft höchstens mal den Briefträger. Sie hat ein paar liebenswerte Macken, die so gar nicht erwachsen sind wie das Führen eines Angstalmanachs und das Schnüffeln an Mutters Keksdose um traurige Gedanken zu vertreiben.

Das Buch lebt aber auch von den Lebensbeichten die Juli anvertraut werden, nachdem sie sich endlich heraustraut in die Welt. Aber erst am Ende des Buches und durch ein Familiengeheimnis das sie persönlich betrifft, trifft sie endlich ihre eigenen erwachsenen Entscheidungen und stellt sich ihren Ängsten.

Dieses Buch hat mir ehrlich gesagt zum Ende immer besser gefallen. Vielleicht muss man sich an diese besondere Person Juli Mahlo auch erst ein bisschen gewöhnen. Das Buch ist für mich ein modernes Märchen, das auf jeden Fall auch sehr gut in die Weihnachtszeit passt. Und wenn man sich einmal auf die Protagonistin eingelassen hat fühlt und fiebert man mit ihr mit.