Rezension

Magersucht

Auf Stelzen gehen - Lena S.

Auf Stelzen gehen
von Lena S.

Bewertet mit 4 Sternen

Klappentext
Lena ist 15, als sie feststellt, dass der Körper alles ist, was ihr gehört. So beginnt der Kampf um den perfekten Körper, um die Kontrolle über Kilo und Gramm.
"Das Buch von Lena S. ist das ehrlichste und realitätsnaheste Buch über Magersucht, das ich je gelesen habe - und ich habe mich in den letzten 15 Jahren vermutlich durch die gesamte Literatur zum Thema "Anorexia Nervosa" gelesen". Feather, amazon

Zum Inhalt
Lena S. ist 13 als sie begreift, dass ihre Figur das einzige ist, was sie hat und die will sie behalten. Ihre Gedanken kreisen immer mehr ums Essen, bestimmen ihr Leben, so dass sie schon 2 Jahre später magersüchtig ist und um ihr Leben kämpft. Lena meidet Fett und Kalorien, beschränkt sich auf "sichere" Nahrungsmittel und hungert sich an die 40-Kilo-Grenze. Sie fühlt sich zu dick, egal, wieviel sie noch abnimmt. Das Elternhaus ist intakt und doch mit verantwortlich für ihr extremes Verhalten, ihre Essstörung. Als Lena Angst hat zu sterben, begibt sie sich in eine Klinik. Dort kämpft sie einen schier endlosen Kampf. Sie will nicht sterben, hat panische Angst vor dem Tod, den sie spürt, an ihrem Körper klopfen hört. Sie trifft dort auf viele andere Magersüchtige, die sie noch viel dünner empfindet als sie es ist und so fällt es ihr schwer zu essen. Sie tritt in den unausgesprochenen Wettstreit mit den anderen. Sie will immer weniger essen als die anderen. Doch als sie Lukas kennenlernt, begreift sie ganz plötzlich, was es heißt dem Tode näher zu sein als dem Leben. Sein Zustand macht Lena Angst. Doch allein das Umdenken reicht nicht. Lena kämpft entsetzlich mit sich, ihren Gedanken und Wünschen und Träumen. Sie kämpft mit den Therapeuten und ihrer Familie. Sie kämpft mit Lukas und verliert schließlich den Kampf. Doch selbst das bewirkt nicht, dass sie sich den letzten Ruck geben kann, die Magersucht zu besiegen. Und so bleibt ihr Leben ein Auf und Ab von Essen und Hungern, von Normalgewicht und Untergewicht. Lena kämpft - noch heute...

Meine Meinung
Das Buch ist von Lena S. geschrieben, die ihren Nachnamen nicht preisgeben möchte. Lena erkrankt an Magersucht und versucht trotzdem ihr Abi zu machen und zu studieren. Sie schreibt ihre Gedanken für den Leser auf, ihre Gefühlswelt und das unumwunden, klar und deutlich. Keine Schönfärbung, keine Heuchelei, keine Mitleidsheischerei. Lena schreibt zielstrebig, offen und ehrlich, welchen Kampf sie kämpft und wovor sie Angst hat, was sie zum Hungern bewegt. Das Buch wird mit zunehmender Seite immer intensiver, eindringlicher und dadurch auch mit jedem Satz verständlicher. Verständlicher, was ihre Familie und die Beziehung zu ihr angeht, verständlicher aber auch ihre Gedanken- und Gefühlswelt. Selbst Nichtbetroffene erfahren und lernen in und durch dieses Buch sehr viel über diese Art der Essstörung. Ich mag die deutliche Sprache, das unumwundere angehen der Autorin. Ich habe nun schon viele Bücher über diese Thematik gelesen und dieses hier gehört zu denen, die mir im Gedächtnis bleiben werden, die sehr interessant waren. Ein Buch, dass den Leser auch fordert, sich in die Gedanken von Lena hineinzuversetzen, verstehen zu lernen, was einen Menschen magersüchtig werden lässt, woran das liegen kann, was dazu führt. Sehr traurig ist Lenas Verhältnis zu ihrer Mutter, die einfach nicht einsehen will, dass ihre Tochter eine Erkrankung hat, die einen Ursprung hat, der definitiv in der Familienchronik zu suchen ist. Sie gibt Lena die Schuld. Lena ist krank, Lena ist anders, Lena ist magersüchtig, Lena ist deshalb etwas anstrengend Besonderes. Die Eltern suchen bei sich niemals die Schuld und das macht beim Lesen einfach nur traurig. Natürlich kann man nicht von wahrer Schuld sprechen, also nicht sagen, die Eltern sind verantwortlich für Lenas Magersucht. Das nicht allein, aber sie sind ein Teil davon, haben Mitschuld, sind mit verantwortlich. Sie bemühren sich gar nicht, Lena zu verstehen, sich mit ihr auseinanderzusetzen, selbst als Lena ihre Eltern offen darauf anspricht, sich sozusagen outet. Sie beißt auf Granit, was nur zu einem therapeutischen Rückschlag führt...

Ein sehr bewegendes, tiefgehendes Buch über Magersucht, was offen geschrieben ist und den Leser nachdenklich macht, ihm einen guten Einblick verschafft. Der Schluss des Buches kommt langsam, nicht so abrupt, wie bei vielen. Es ist glaubwürdig, wie es mit Lena weitergeht, aber man erfährt leider nicht, wie es ihr heute geht, aber man kann es erahnen. Jedoch wäre es schön gewesen, wenn man aus heutiger Sicht wüsste, wie es Lena heute ergeht, deshalb hab ich ein Sternchen abgezogen.