Rezension

Magisch-märchenhafte Love Story ohne viel Tiefgang

Als wir Vögel waren -

Als wir Vögel waren
von Ayanna Lloyd Banwo

Bewertet mit 3 Sternen

Reichlich karibisches Flair gibt es in diesem Debütroman. In der Übersetzung hat man zwar auf den Versuch verzichtet, das karibische Englisch des Originals, das grammatisch ziemlich eigenwillig ist, in deutschen Dialekt zu übertragen oder sich eine Kunstsprache auszudenken. Dennoch kam mir der Sound des Textes sehr authentisch vor.

Banwo lässt ihre Protagonisten aus sehr unterschiedlichen Welten kommen. Yejide stammt aus einem wohlhabenden alten Matriarchat, deren Oberhaupt im Tod die Macht weitergibt, zwischen der Welt der Toten und der Lebenden zu vermitteln. Als ihre Mutter stirbt, muss Yejide entscheiden, ob sie dieses Vermächtnis annehmen will. Darwin ist ein Rastaman, dem seine Religion verbietet, sich den Toten zu nähern. Als der einzige Job, den er nach verzweifeltem Bemühen ergattern kann, ausgerechnet der eines Totengräbers in Fidelis ist, dem größten und ältesten Friedhof der Insel, entscheidet er sich gegen den Willen seiner frommen Mutter, die Arbeit anzunehmen. Beim Begräbnis von Yejides Mutter lernen sich Darwin und Yejide kennen – ein nicht ganz klassischer Fall von Liebe auf den ersten Blick, denn sie sind sich schon einmal in einer Traumsequenz begegnet.

Banwos magisch-realistische Welt ist tropisch und düster. Sie evoziert Farben, Texturen und Gerüche, die Hitze, die Feuchtigkeit, den Regen auf einem Blechdach. Sie bevölkert ihren Roman mit einer Unzahl von Lebenden und Toten, mit Mythen und Märchen. Klar wird, dass in Banwos Welt – der fiktiven wie der realen - den Vorfahren ein großer Einfluss auf das Leben ihrer Nachfahren zugestanden wird.

Insofern haben wir es hier mit einem Entwicklungsroman zu tun - sowohl Darwin wie auch Yejide müssen einen Weg finden, das familiäre Erbe mit dem Wunsch nach einem selbstbestimmten Leben zu vereinbaren. Das erscheint beiden zunächst unmöglich, aber im Verlauf des Romans nähern sich diese Sphären ebenso an wie die beiden so gegensätzlichen Protagonisten. Am Ende muss Darwin sich gar entscheiden, ob er das Recht der Toten verteidigen will, womöglich auf Kosten des eigenen Lebens und Fortkommens.

Figuren, Bildhaftigkeit und Atmosphäre des Romans gefielen mir wirklich gut; auch den Einblick in die karibische Kultur fand ich durchaus gelungen. Allerdings ist die Thematik der Toten für meinen Geschmack zu sehr ausgeufert. Etwas mehr Verankerung in der realen, sicher weit nüchterneren karibischen Lebenswelt hätte dem Roman gutgetan. Auch der dünne Plot hat mich nicht überzeugt: Die Auflösung am Ende erfolgt – dank Yejides Magie – etwas zu glatt und die erdachte Familienmythologie schien mir unplausibel. Die idealisierte Liebesgeschichte jenseits allen Liebesalltags war mir zu flach und hat mich gelangweilt, von einer unsäglich verquasten, völlig überflüssigen Sexszene gar nicht zu reden. Das langsame Erzähltempo, das auch im Showdown nur unwesentlich anzieht, trug ebenfalls zur Länge bei – es dauert bis zur Hälfte des Romans, bis die Protagonisten sich endlich begegnen. Viel Raum nimmt dagegen ein krimihafter Unterplot ein, aus dem man einen eigenen Crime noir hätte machen können – schade drum.

Fazit: Ich habe dieses Debüt aus der Karibik nicht ungern gelesen, allerdings ist Banwos Roman wohl eher etwas für ausgewiesene Romantiker:innen.