Rezension

Magisch und zauberhaft, am Ende aber leider etwas enttäuschend

Die kleinen Wunder von Mayfair - Robert Dinsdale

Die kleinen Wunder von Mayfair
von Robert Dinsdale

Bewertet mit 3 Sternen

Ich hatte im Vorfeld noch nichts von diesem Roman gehört, habe mich aber sofort in das atemberaubende Cover und den zauberhaften Klappentext verliebt. Und tatsächlich hat mich auch die Geschichte gleich auf den ersten Seiten gefangen genommen, denn als die schwangere Cathy im Emporium eintrifft, traut weder sie noch der Leser seinen Augen. Robert Dinsdale gelingt es, mit seinen Worten eine so magische und liebevoll ausgestaltete Welt zu erschaffen, dass man sich beinahe augenblicklich in die eigene Kindheit zurückversetzt fühlt. "Die kleinen Wunder von Mayfair" ist ein Buch für Erwachsene, aber es erinnert uns an unser inneres Kind, lässt uns Unglaubliches erleben und staunen. Auf jeder Seite gibt es tausend zauberhafte Kleinigkeiten zu entdecken und Dinsdale beschreibt diese auf so liebevolle und anschauliche Art und Weise, dass man Papa Jacks Emporium von Beginn an vor Augen hat - mehr noch, es fühlt sich an, als wäre man mittendrin.

 

Mittendrin im Paradies, denn Dinsdale dehnt die Grenzen des Möglichen weit aus - erzählt von treuen Patchworkhunden, von epischen Schlachten zwischen Spielzeugsoldaten, von Spielhäusern, die innen viel größer sind, als man es von außen erwarten würde, von schwebenden Wolkenschlössern, verschlungenen Pfaden innerhalb des Gebäudes und und und. Gerade auf den ersten 100 Seiten haben mich Dinsdales Ideen fasziniert und gefangen genommen - ich war schlichtweg begeistert von diesem sensationellen Setting. Es weist dabei einige deutliche Parallelen zu anderen Büchern auf, ganz besonders zu "Harry Potter" und "Der schlaue Urfin und seine Holzsoldaten" von Alexander Wolkow, was mich aber keineswegs gestört hat - nein, ganz im Gegenteil. Vielmehr haben auch diese Kleinigkeiten mich an meine Kindheit erinnert und mich sozusagen in der Zeit zurückreisen lassen. Ich nehme stark an, dass Dinsdale genau das beabsichtigt hat und er hat es großartig gemacht.

 

Mir gefällt auch die Botschaft, die hinter Dinsdales magischen Bildern und seiner Geschichte steht - nämlich, dass wir alle tief drinnen immer noch Kinder sind, und dass Spielzeuge auch auf Erwachsene eine heilende Wirkung haben können. Dass ihnen ein besonderer Zauber innewohnt. Ich mag es auch, dass die Geschichte ungefähr ab dem zweiten Drittel deutlich düsterer und an manchen Stellen auch trostloser wird, dass Dinsdale uns die Grenzen der Magie aufzeigt und auf ernstere Themen wie den Ersten Weltkrieg und seine Auswirkungen auf die Menschen eingeht. 

 

Allerdings gibt es auch einige Punkte, die mich an diesem Roman irritiert beziehungsweise einfach nicht befriedigt haben. Ganz besonders sind das die Charaktere. Dinsdale schmückt Papa Jacks Emporium mit glanzvollen Worten aus und geht hier unheimlich in die Tiefe - die Figuren allerdings rücken dabei in den Hintergrund oder werden sogar grob vernachlässigt. Ich konnte bis zum Ende weder zu Hauptperson Cathy noch zu Papa Jack und seinen Söhnen Emil und Kaspar einen Zugang finden. Was dafür gesorgt hat, dass ich die Gründe für ihr Handeln so gut wie nie nachvollziehen konnte. Vor allem der stellenweise ziemlich überzogen dargestellte Zwist zwischen den Brüdern, der bisweilen Ausmaße annimmt, die sich mir einfach nicht erschlossen haben, und die rigorosen Schwarz-Weiß-Kategorisierungen (die klare Einteilung in Gut und Böse, mit nichts dazwischen) haben mich oftmals ratlos zurückgelassen.

 

Und leider schwächelt auch die Handlung ab der Mitte stark und kommt massiv ins Straucheln. So sehr man am Anfang auch staunte über all die Wunder und zauberhaften Details: Leider verliert das Emporium allzu schnell seinen Glanz, denn die Handlung tritt vor allem im Mittelteil lange auf der Stelle, schleppt sich zäh dahin und folgt keinem erkennbaren roten Faden. Das fand ich sehr schade, denn eigentlich wäre so viel Potenzial da gewesen. Und das Ende hat mich schließlich mich auch wieder ein wenig mit der Geschichte versöhnt - nichtsdestotrotz fehlt mir bei vielen Dingen der Bezug, fehlt mir die charakterliche Tiefe. Und das wird dem sensationellen Schreibstil und dem wundervollen Setting leider in keiner Weise gerecht.

Mein Fazit
"Die kleinen Wunder von Mayfair" ist ein Buch, das voller Magie und voller wunderbarer Botschaften steckt. Das einen zurückversetzt in die eigene Kindheit, einen zum Staunen bringt und zum Nachdenken anregt. Leider konnten Dinsdales fantasievoller Schreibstil und das zauberhafte Emporium mit all seinen kleinen Wundern die oberflächlichen Charaktere und die vor allem im Mittelteil eher fade Handlung nicht ganz aufwiegen. Sodass ich der Geschichte am Ende doch recht zwiegespalten gegenüber stehe - obwohl so vieles daran mich fasziniert hat.