Rezension

Magische Mathematik - ganz wundervoll!

Das Geheimnis der Eulerschen Formel - Yoko Ogawa

Das Geheimnis der Eulerschen Formel
von Yoko Ogawa

Bewertet mit 5 Sternen

Eine junge Frau wird die neue Haushälterin eines schon älteren Mathematikprofessors. Obwohl sein Kurzzeitgedächtnis seit einem geheimnisvollen Unfall nur noch 80 Minuten währt, kann sie sein Vertrauen gewinnen und so auch ihr Sohn, den der alte Mann schnell in sein Herz schließt. Mit der Magie der Zahlen und den Geheimnissen der Mathematik trotzen sie den schwindenden Erinnerungen und spinnen ein zartes Band der Freundschaft zwischen sich, dass aber durch die Verwandtschaft des Professors hart auf die Probe gestellt wird.

Es gilt ja die allgemeine Meinung, dass Bücher, in denen es auch nur entfernt um Wissenschaft geht, langweilig sind. 
Ich wurde schon öfters belehrt, zum Beispiel mit "Der Vermessung der Welt" von Daniel Kehlmann, aber das ein Roman über die Mathematik so zauberhaft sein, so magisch und poetisch, hätte ich nie gedacht und ich hab es auch nicht annähernd erwartet.

Yoko Ogawa umschmeichelt den Leser mit leisen Worten, feinen, nur gehauchten Sätzen und doch trotzt "Das Geheimnis der eulerschen Formel" vor erzählender Kraft. 
Man möchte immer weiterlesen, wünscht sich, dass die viel zu kurze Geschichte noch viele Seiten mehr hat und das, obwohl man nicht gerade von Spannung und großen Geschehnissen überrumpelt wird.

Die Handlung ist ebenso leise und sanft wie der Schreibstil. Wie gerade erwähnt ohne viel Action, aber wer das erwartet, der hat sich den Klappentext nicht durchgelesen und sich kein bisschen Gedanken gemacht, über das, was er da liest oder vorhat zu lesen.

Der Professor, der seine Erinnerungen immer und immer wieder verliert, zumindest das, was in den letzten anderthalb Stunden geschehen ist.
So traurig und bemitleidenswert dieses Schicksal ist, die Autorin schafft es, dass die Grundstimmung der Geschichte nicht traurig und verzweifelt ist. 
Mit der neuen Haushälterin und vor allem ihrem Sohn kommt wieder neues Leben in das Leben des älteren Mannes und im Laufe des Buches blüht er immer mehr auf. 
Die Freundschaft, die Professor und Haushälterin verbindet, ist so zart und irgendwie auch zauberhaft, wie der ganze Roman.
Doch diese magische Stimmung bleibt auch nicht die ganze Zeit, es gibt durchaus noch die eine oder andere Wendung mit der man nicht auf den ersten Moment rechnet.

Was dieses Buch auch von anderen unterscheidet, ist die Tatsache, dass es keinen richtigen Protagonisten gibt.
Die Geschichte wird zwar von der Haushälterin erzählt, aber von ihr erfährt man zu wenig, eigentlich berichtet sie nur von ihrer Zeit, die sie bei diesem doch sehr speziellen Arbeitgeber verbringt.
Der Professor ist aber auch kein richtiger Hauptcharakter, da er dem Leser ein bisschen zu fern bleibt und man beinahe nichts von seinen Gefühlen mitbekommt außer denen, die er öffentlich zeigt.

Trotz dieser Distanz zu ihm schließt man ihn als Leser schnell ins Herz, sei es einfach aus Mitleid oder aus Faszination zu seiner starken Liebe zu den Zahlen. 
Denn so wie er sich begeistern kann für so kleine Sachen wie eine gelöste Gleichung, muss man ihn einfach gern haben. Wer so wert auf die kleinen, aber feinen Dinge legt, kann kein schlechter Mensch sein.
Außerdem ist das Verhalten mit dem er dem Sohn der Haushälterin gegenüber tritt einfach nur rührend. Man merkt ihm an, dass er Kinder sehr gern hat und dass er immer versucht Root (Der Junge; Der Name hat seinen eigenen Ursprung im Roman, aber woher, soll man besser selbst herausfinden.) ein gutes Vorbild zu sein und ihm Freuden zu machen.

So erfährt man als Leser sogar noch Dinge über Japan, die man vielleicht vorher nicht gewusst hat. Zum Beispiel, dass Baseball in Japan ein äußerst wichtiger Sport ist.
 

Fazit

"Das Geheimnis der eulerschen Formel" ist eines dieser Bücher, die dem Leser noch sehr lange im Gedächtnis bleiben, obwohl sie eigentlich so ruhig sind, dass man denken könnte, sie gehen unter im weiten Markt der Bücher.
Wenn man sich auf die Geschichte einlässt und bedenkt, dass man eventuell ohne Spannung auskommen muss, bekommt einen Roman voller Gefühl, Zärtlichkeit, Poesie der Zahlen und Magie der Freundschaft.
Und man lernt, dass Erinnerungen irgendwann das einzige sind, was uns bleibt, wenn alles andere verschwunden ist. 5 von 5!