Rezension

Mal ernsthaft: Inwiefern haben Buchcommunitys Euch „verdorben“?? ;-)

Ich bin die Angst
von Ethan Cross

Bewertet mit 3.5 Sternen

Lange lange Jahre galt für mich “Buch aus einem ‘meiner‘ Genres = muss gut sein“. An Büchern wie Ethan Cross‘ „Shepard“-Reihe merke ich, wie mir Buchcommunitys „schaden“ - ich bin anspruchsvoller…;-)
Bereits bis zu Seite 70 hat es mich mehrfach gegraust – jedoch nicht (nur), weil es sich hier um einen der auch auf eklige Details fixierten Thriller handelt (man darf also Gewaltexzessen live und in Farbe beiwohnen). Nein, mich störten so Sätze wie S. 51 „Über einem weißen Button-Down-Hemd trug er eine Khakihose und ein hellbraunes wollenes Sportsakko.“ Ja, muss lustig aussehen, so eine Hose über einem Hemd. Auch der „Bleistiftbart“ von S. 8 war im Original wohl ein „pencil beard“, was man eigentlich mit dem fast vergessenen „Menjoubärtchen“ übersetzt, auch wenn diese Mode mit Ende des Zweiten Weltkrieges in Deutschland dann doch verpönt war. Dazu: Pathos. S. 70 „Schofield war ohne Seele geboren, aber bald würde er ein Stück von Jessies Seele rauben. Er würde empfinden, was sie empfand. Er würde von ihrem Glück kosten und es sich zu eigen machen.“ Die Übersetzung von „The Prophet“, sehr passend zum Inhalt, mit „Ich bin die Angst“ ist da nur noch ein Detail.

Es ist bereits der zweite Band, den ersten hatte ich gewonnen. Ich verstehe ja sonst nie die Fixierung mancher Leser auf Cover, die ich schlicht übersehe und vergesse, mag jedoch schöne Gestaltungen mit Lesebändchen, passenden Vorsatzblättern, toller Haptik. Aber bei dieser Reihe gestehe ich fast widerwillig: ich finde die Optik umwerfend, gerade auch als Reihe. Alle Bände sind komplett monochrom, da die Schrift in gleicher Farbe wie der Rest des Covers geprägt wurde, somit erhoben und fühlbar ist, dabei lackiert wurde im Gegensatz zum sonst matten Look. Auch der Buchschnitt nimmt die Cover-Farbe auf, der Titel findet sich dabei umlaufend in weiß wieder. Jeder Band hat eine eigene Farbe: Nummer 1 war schwarz, dieser Band 2 ist rot (es folgen noch weiß, braun, grau). Ja, das ist optisch und haptisch toll. Da ich auch schon Figuren rein zum Hinstellen gekauft habe, werde ich die Bücher vermutlich in eine Vitrine stellen – nochmals lesen muss ich das nicht.

Ich habe natürlich das Buch beendet, in den letzten drei Jahren habe ich nur eines final abgebrochen. Wie Band 1, ist auch „Ich bin die Angst“ sehr spannend geschrieben, mischt Action mit (meist krankem) Psycho – dennoch bleiben meine Beschwerden über ALLE Seiten bestehen, ärgern mich ob des wirklich spannenden Schreibstils nur noch mehr. O.k., die Slasher-Thriller mag man oder nicht (gelegentlich geht das bei mir, auch wenn es mich stört), aber gegen das Pathos hätte man etwas tun können, gegen seltsame Übersetzungen, gegen unlogische Überleitungen. Positiv: es gibt praktisch keine Rückwärtsspoiler (o.k., die Verbindung zwischen Marcus und Francis war eigentlich von Beginn an klar, da ist nichts zu spoilern – aber sonst nichts weiteres). Insgesamt finde ich Band zwei jedoch deutlich besser als Band 1, da er nicht so überzogen ist.

Es scheint seit dem Ende von „Ich bin die Nacht“ etwas Zeit vergangen zu sein, Ex-Cop Marcus Williams ist jetzt festes Mitglied der Shepard-Organisation, der geheimen Gruppe unterhalb des Justizministeriums. Aufnahme-Voraussetzung ist ein Trauma, damit sich die Agenten besser in die Fälle hineinversetzen können: Marcus‘ Eltern wurden in seiner Kindheit getötet. Es gab zwischen den beiden Bänden einen Einsatz in Harrisburg, der gefährlich wurde, und daraufhin Ärger mit Maggie Carlisle, ebenfalls Shepard und seine noch oder nicht-mehr Freundin. Ihre Mutter wurde umgebracht. Das hat alles so einen leichten Batman-Touch mit den einsamen Helden, dabei finde ich es problematisch, dass leider ein ziemlicher Fokus auf einer gewissen Billigung von Selbstjustiz liegt (wie jüngst auch bei einigen anderen Büchern). Was das Manko dieser Selbstjustiz ist, bereitet Marcus im Buch reichlich Probleme.

Zum Fall selbst möchte ich zusätzlich zum Klappentext wenig verraten, hinzu kommen ein kleinerer Fall zu Beginn zum Warmlaufen, Reibereien mit lokalen Behörden, Sekten und Satanismus. Den Psychopathen Ackerman wiederum mochte ich wider Willen, wie im ersten Band. Allerdings scheint er keine Stimmen mehr zu hören? Und Marcus knackt etwas seltener mit den Nackenmuskeln und Maggies Neurosen werden auch etwas weniger beschrieben, aber gerade die Nackenmuskeln waren in Teil 1 schon nervig. Dafür wartet Cross mit etlichen Wendungen auf, von denen ich nur eine vielleicht zwei Seiten vorher erahnt hatte.

 

Insgesamt solide 3,5 Punkte, die ich dennoch nicht aufrunden möchte, weil ich erstens sauer bin über die Schludrigkeiten der deutschen Ausgabe und mich zweitens dieser Mischmasch aus Pathos mit pseudoreligiösem Gefasel (Marcus, glaubst Du an Gott? empfinde ich angesichts der Vorgehensweise seines Trupps als fast ketzerisch) und Selbstjustiz etlicher US-Werke schlicht nervt.