Rezension

Mal ganz nett, mal etwas langweilig

Düsternbrook - Axel Milberg

Düsternbrook
von Axel Milberg

Bewertet mit 3 Sternen

REZENSION - Fehlen in der Autobiographie bekannter Schauspieler jene zur voyeuristischen Befriedigung ihrer Leser nötigen Höhepunkte, muss entweder der Verlag sein Marketing verstärken oder der Autor seinen Erinnerungen noch Fiktives hinzufügen. Beides scheint beim literarischen Debüt des vor allem als Kieler Tatort-Kommissar Borowski beliebten Axel Milberg (62) der Fall zu sein: In „Düsternbrook“ schildert der Schauspieler auf 290 Seiten seine Kinder- und Jugendjahre im gleichnamigen Kieler Villenviertel.

Düsternbrook ist die Welt des kleinen und heranwachsenden Axel. Ein Nobelviertel mit wohlsituiertem Elternhaus, humanistischem Gymnasium, Tennisclub, Segelverein, der Gemüsehändlerin und Bäcker Iwersen. Die Mutter ist Ärztin und Hausfrau, oft gestresst und zu den Kindern manchmal herb. Der Vater ist Rechtsanwalt und Notar, von eher harmlosem Charakter („Ich habe drei Kindern, eines von jeder Art.“). Der Großvater ist Gutsbesitzer und verkehrt im Kreise holsteinischen Adels. Milberg schildert das großbürgerliche, fast klischeehafte Millieu einer akademisch gebildeten Familie in den Sechzigern und Siebzigern.

"Sich erinnern heißt erfinden“, wird Milberg im Interview zitiert. „Wir denken: Genau so war es, aber wir … verwechseln es mit dem, was damals vielleicht tatsächlich passiert ist." Doch passiert ist gar nicht viel in Milbergs Kindheit und Jugend. Was gibt es schon Spannendes im Leben eines gut behüteten Schulkindes oder Jugendlichen, was das Verfassen eines Buches rechtfertigen könnte? So erfindet Milberg einiges hinzu, mischt Fakten mit Fiktion. „Düsternbrook“ ist also keine reine Autobiographie mit Aneinanderreihung von Fakten, von Anekdoten und Erlebnissen. Es ist allerdings auch kein richtiger Roman. „Düsternbrook“ ist eine – chronologisch nicht immer sauber eingehaltene, deshalb manchmal irritierende – Sammlung von Episoden, teils aus der Erinnerung geschrieben, teils auch nur ausgedacht.

Doch reicht dies noch nicht für ein Werk literarischen Anspruchs. Man darf Milberg zugute halten, dass er nie versucht, seine Person allzu stark in den Vordergrund zu drängen. Als Autor nimmt er sich zurück, ist eher ein Beobachter. Dieser Abstand macht es ihm möglich, bestimmte Szenen augenzwinkernd und ironisch zu schildern. Aber das reicht nicht, den Leser durchgängig zu fesseln, zumal manche Szene unnötig in die Länge gezogen ist.

Es gibt durchaus interessante Passagen im Buch: Wenn Milberg von den Gesprächen mit seinem homosexuellen Onkel Don Fernando aus Mexiko erzählt oder über den Vortrag des Schweizer Ufologen Erich von Däniken in seiner Gelehrtenschule berichtet, woraufhin sich der Gymnasiast prompt auf die Suche nach Außerirdischen macht. Oder wenn Milberg über sein Zusammentreffen mit „Goldfinger“ Gert Fröbe schreibt, der mit seinem Morgenstern-Programm in Kiel gastierte. Nur: Warum gibt Milberg Fröbes Bühnenauftritt in allen Einzelheiten wieder? Warum schildert Milberg das Zusammentreffen des einstigen Bühnenmalers Fröbe mit dem in dessen Jugend bekannten Schauspieler Erich Ponto? Sicher eine amüsante Anekdote, aber sie gehört doch eher in Fröbes Memoiren, nicht aber in Milbergs Buch. Wie Ponto einst Fröbe zum Theater, habe Fröbe den Kieler Philosophie-Studenten Milberg zur Schauspielerei ermutigt. Doch über Milbergs Schauspieler-Ambitionen ist im ganzen Buch außer einer Mitwirkung in einer Schüleraufführung und seiner gelegentlichen Flucht in Traumwelten nichts zu erfahren.

Warum Milberg zwischen seine Kindheitserlebnisse zusätzlich noch einige unzusammenhängende Kapitel über einen sich zum Triebtäter entwickelnden Mann mischt, der bald als Sohn der Gemüsehändlerin auszumachen ist, bleibt offen. Vielleicht, um der sonst im Buch fehlenden Spannung etwas nachzuhelfen? War dieser Fall nun Fakt oder nur Fiktion? Der Autor lässt uns mit dieser Frage ebenso allein, wie er auch andere Episoden offen lässt.