Rezension

Mal wieder ein etwas experimentierfreudigerer Carter

Blutrausch - Er muss töten - Chris Carter

Blutrausch - Er muss töten
von Chris Carter

Bewertet mit 4 Sternen

Chris Carter, mein liebster Thriller-Autor, liefert wie ein Uhrwerk einmal jährlich einen neuen Band seiner Robert-Hunter-Reihe ab, oder wie ich es lieber formulieren würde, die Hunter-und-Garcia-Reihe, da ich Carlos als sein Partner sehr in mein Herz geschlossen habe. Und obwohl Carter so schnell arbeitet, ist jeder Band in sich ein Meisterwerk. Natürlich bekommen sie nicht alle fünf Sterne von mir, weil ich die einzelnen Teile natürlich gegeneinander abwäge, aber im gesamten Thriller-Universum nehmen sie definitiv eine eigene Liga ein. „Blutrausch“ ist nun der neunte Band, also der kurz vor dem ersten großen Jubiläum, was er wohl bereithielt?

Die Bücher von Chris Carter haben grundsätzlich ein bestimmtes Schema. Bisher komplett aus diesem Schema rausgefallen ist der sechste Band, „Die Stille Bestie“, wo Hunter sich seiner Vergangenheit stellen musste, ohne seinen Partner agiert hat und ein wildes Katz-und-Maus-Spiel mit einem als Freund geglaubten Mann getrieben hat. Dieser Band war schon sehr anders. „Blutrausch“ würde ich nun als den zweiten Teil sehen, der in einigen Aspekten vom typischen Carter-Schema abweicht. Das liegt zum einen daran, dass es sich um keine Mordserie handelt, die ausschließlich in L.A. begangen wird, dadurch kommt es zweitens zu einer Zusammenarbeit mit dem FBI, die die klassische Hunter-Garcia-Partnerschaft natürlich nach außen öffnet. Diese Öffnung zu einer neuen Behörde hin, hat mir sehr gut gefallen, weil es eben auch mit anderen Charakteren neuen Input gibt und das Buch so insgesamt nicht so Hunter-lastig war, wie es die meisten anderen Teile sind. Zudem hat Garcia in dieser Zusammenarbeit ein sehr tolles komödiantisches Potenzial entwickelt, das mir viel Freude bereitet hat.

Der Fall nun aber hat mich nicht komplett begeistern können. Da die entscheidende Auflösung zu den Motiven erst sehr spät kommt, kann ich leider nicht so viel dazu sagen, weil ich sonst was vom Lesevergnügen wegnehmen würde, aber ich hatte das Gefühl, die Idee hinter der Mordserie schon einmal woanders gelesen oder gesehen zu haben. Ich kann leider nicht mehr rekonstruieren, ob es in einem anderen Thriller war oder vielleicht auch in einer Serie oder einem TV-Film, jedenfalls wirkte es etwas öde und das ist tatsächlich das erste Mal, dass ich das über einen Chris-Carter-Fall sage. Da die Tat eben schon so langweilig war, war es der Täter dementsprechend weitestgehend für mich auch.

Richtig genial waren aber die letzten fünfzig Seiten, die ich sehr genossen habe. Und wieder sind diese Momente eher untypisch für Chris Carter. Normalerweise hat Hunter kurz vor Ende eine Eingebung, die dem Leser nicht verraten wird und dann geht er auf eine Egomission und kann mit Geschick, aber auch immer viel Glück den Täter stellen, ohne selbst dabei ums Leben zu kommen. Diesmal ist der Showdown mit ihm, Garcia und zwei FBI-Agents verbunden und da gibt es die ein oder andere sehr überraschende Wendung. Es gab sogar einen richtigen Schockmoment, der war wirklich besonders gemacht. Ganz zum Schluss wird dann sogar schon die Handlung für den Jubiläumsband angestoßen, woraus man schlussfolgern kann, dass der zehnte Band richtig groß werden kann.

Fazit: Carter zeigt sich mal wieder etwas experimentierfreudiger und weicht in den Ermittlungen und im Endshowdown von seinem üblichen Muster ab. Das hat mir sehr gut gefallen, weil so auch Langeweile vorgebeugt wird. Diese Experimentierfreude ging aber etwas zu Lasten des Falls, der mich nicht besonders packen konnte. Wie gut, dass alles drum herum nach wie vor zur Spitzenunterhaltung führt.