Rezension

Man entkommt seinen Erinnerungen nicht

Der Fälscher - Cay Rademacher

Der Fälscher
von Cay Rademacher

Bewertet mit 4 Sternen

Im Frühjahr 1948 gibt bei Aufräumarbeiten in einem ausgebombten Hamburger Kontorhaus eine einstürzende Wand eine Leiche frei. Der Tote weist keine typischen Spuren eines Bombenopfers auf, Reste eines Judensterns an der Kleidung werfen die Frage auf, wie sich überhaupt ein Jude bis zu den Bombenangriffen auf die Stadt zu Kriegsende verstecken konnte. Außer der Leiche werden in dem Haus Kunstgegenstände geborgen, die zur Nazizeit als entartete Kunst gegolten hatten. Oberinspektor Frank Stave ist nach einer schweren Schussverletzung im Dienst auf eigenen Wunsch in die Abteilung zur Schwarzmarktbekämpfung versetzt worden. Stave ist weitsichtig genug, sich für die Zukunft eine Abteilung für Wirtschaftsdelikte bei der Hamburger Kripo vorzustellen. Doch zunächst leidet die Stadt noch unter Versorgungsmängeln, einige Lebensmittel sind noch immer rationiert und der Handel mit Zigaretten als Währung blüht. Stave kann den Ermittler der Mordkommission nicht so schnell abschütteln und vereinbart mit dem Staatsanwalt, neben seinen Ermittlungen zu den frei gelegten Kunstgegenständen unauffällig auch zu dem Toten im Kontorhaus Augen und Ohren offen zu halten. Der Staatsanwalt ist nicht damit einverstanden, dass Staves Nachfolger den Fall einfach zu den Akten legt. Gemeinsam mit der britischen Besatzungsmacht ermittelt Stave außerdem, wie schon vor Einführung einer neuen Währung frisch gedruckte Geldscheine auf dem Schwarzmarkt auftauchen konnten. Deutschland fiebert dem Tag X der Währungsreform entgegen und die Engländer befürchten, dass ein Fälscher das Vertrauen in das neue Geld untergraben und damit die Besatzungsmacht verhöhnen will. Staves Ermittlungen führen ihn in ein bürgerliches hanseatisches Milieu, das die Nazizeit offenbar unberührt überstanden hat und in die Szene von Künstlern und Schauspielern. Stave leidet in seinem beruflichen Umfeld noch immer darunter, dass ehemalige Nazi-Täter auffallend zügig entnazifiziert wurden und an ihre ehemaligen Arbeitsplätze zurückkehren konnten. Die Aufbruchsstimmung jener Zeit spiegelt sich in Staves Privatleben in der schwierigen Beziehung zu seiner Freundin Anna und zu seinem Sohn, der nach der Entlassung aus russischer Kriegsgefangenschaft allmählich wieder im zivilen Leben Fuß fasst.

Die wenig spektakulären Fälle, in denen Stave dienstlich und außerdienstlich ermittelt, sind eher historisch interessant. Sie dienen Cay Rademacher als Kulisse, um die besondere Stimmung wiederzugeben, als am Tag der Währungsreform in den deutschen Geschäften die lange gehorteten Waren auftauchten und sich kaum jemand vorstellen konnte, dass die deutsche Wirtschaft von nun an ohne Tauschgeschäfte funktionieren würde. Die Verknüpfung von Unsicherheit und Aufbruchsstimmung erlebt Stave auch in seinem Privatleben. Um Rademachers Krimi zu mögen, muss man seine Freude an den historischen Details aus jener Zeit teilen, die er penibel recherchiert hat und mit geringen Abweichungen zur Realität in seinem Krimi verarbeitet.