Rezension

Man sollte nicht zu viel erwarten

Origins -

Origins
von Clay McLeod Chapman

Auf den ersten Blick richtig schön anzusehen ist diese Hardcover-Ausgabe der sechsteiligen Comic-Heft-Reihe „Origins“. Cross Cult hat mal wieder einen hochwertigen Sammelband geschaffen. Das Artwork - nicht nur des Covers – kann überzeugen, vieles andere an diesem Buch allerdings leider so gar nicht.

Der Plot von „Origins“ ist schnell erzählt: Die Menschheit gibt es seit rund 1000 Jahren schon nicht mehr auf der Erde, da eine von den Erfindern unerwartet ausufernde KI damals beschlossen hat, dass die Erde ohne Menschen besser dran ist. Es gibt aber noch einige verstreute Roboter alter Baureihen, die nicht zur KI gehören und seit Jahrhunderten darauf warten, endlich wieder den Menschen zu Diensten sein zu können. Eine Androidin (Chloe) erschafft aus der alten DNA ihres menschlichen Schöpfers einen neuen Menschen (David). Sie zieht ihn auf und er wird zum neuen Messias, der – Jesus gleich – die versklavten Roboter zu befreien und eventuell eine neue Menschheit zu erschaffen. Zwischendrin wird viel gekämpft und wieder geflüchtet und wieder gekämpft.

Ganz klar: Dieser Comic lebt von den Zeichnungen Jakub Rebelkas. Diese sind manchmal fein und detailreich, manchmal grob und ungeschliffen, und erzeugen eine großartige Atmosphäre für diese Geschichte. Beim Colorieren hat wohl Patricio Delpeche mitgeholfen. Zwei Leute für das Design, keine Frage alles top. Aber was die drei (!) Personen, die den Plot „geschaffen“ haben und die eine Person, die den Text geschrieben hat, hier auf die Welt losgelassen haben, ist nichts als 08/15-tausendmal-gelesen-Inhalt. Der Plot wird mit aller Macht vorangetrieben, da sind Charakterzeichnungen scheinbar nicht nur zweitrangig sondern vollkommen obsolet geworden. Die Figuren bleiben holzschnittartig und können in keinster Weise überzeugen. Die Dialoge sind mittelmäßig und meist wird nicht die Empfehlung befolgt: „Show, don‘t tell“ sondern das genaue Gegenteil scheinbar angestrebt. So werden wilde (übrigens vollkommen unzusammenhängend plötzlich eintretende) Actionszenen durch scheinbar ganz ruhige Chloe-erklärt-die-Welt-Kommentare aus dem Off begleitet. So etwas Merkwürdiges habe ich selten erlebt. Man hat das Gefühl, sowohl zu viel als auch zu wenig zur Geschichte und zu den Figuren zu erfahren. Begleitet wird die Messias-Geschichte unterschwellig stets durch (meine Vermutung) ständige Anleihen aus der Bibel. Da wird der Erlöser wiedergeboren, die „Israeliten“ (aka Roboter) aus der Versklavung in Ägypten geführt und eine unbefleckte Empfängnis gibt es dann auch noch. David sieht auch zunehmend optisch wie Jesus aus. Das ist alles viel zu überfrachtet für den massiv verkürzt erzählten Plot. Hier fehlt die erzählerische Balance in der Geschichte.

Zum Schluss kann man resümieren, dass das Buch wirklich schön anzuschauen ist, die Geschichte aber nicht nur nichts Neues bieten kann sondern auch noch unterdurchschnittlich gut erzählt wird. So rettet Jakub Rebelka dieses Buch, welches für mich bei 2,5 Sternen liegt, noch gerade so mit seiner sehr guten Illustrationsarbeit auf 3 Sterne. Man sollte also nicht zu viel erwarten. Ich empfehle hier eher zum Thema die „Descender“/ „Ascender“-Reihe. Wer diese Reihen schon kennt, sollte keinesfalls zu „Origins“ greifen. Nur vollkommene Neulinge auf dem Gebiet könnten „Origins“ noch etwas abgewinnen.