Rezension

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Man sollte wissen, worauf man sich einlässt.

Divergent - Veronica Roth

Divergent. Die Bestimmung, englische Ausgabe
von Veronica Roth

Bewertet mit 4 Sternen

ACHTUNG: Da ich meine Meinung zu dem Buch nicht anders ausdrücken konnte, enthält die Rezension ein paar Spoiler. Wenn ihr das Buch noch nicht gelesen habt, es aber unbedingt noch tun wollt, dann überlegt euch lieber zwei mal, ob ihr diese Rezension lesen wollt. Mein Fazit kann man aber gefahrlos lesen, denke ich ;)

♥♥♥
Puh, ich glaube, es ist mir noch nie so schwer gefallen, eine Rezension zu schreiben. Versteht mich bitte nicht falsch, ich finde, Divergent ist ein wahnsinnig gutes Buch, es hat aber auch ein paar Seiten, von denen ich nicht genau weiß, was ich von ihnen halten, oder wie ich mit ihnen  umgehen soll.
Lasst euch erst mal gesagt sein: Divergent war nicht so, wie ich es erwartet habe. Ich wusste lediglich, es ist eine Dystopie, es gibt 5 Fraktionen und nun ja… viel mehr wusste ich nicht. Ich hatte die Inhaltsangabe total vergessen, als ich angefangen habe, das Buch  zu lesen, deswegen war ich doch sehr überrascht und teilweise auch überrumpelt davon, was das Buch beinhaltet. Ich dachte, es ist eine eher „gemäßigte“ Dystopie, zumal sie ja schon ab 14 Jahren empfohlen wird. Nun, nachdem ich das Buch gelesen habe, muss ich aber sagen: 14 ist definitiv zu jung!
Aber erst mal ganz langsam. Beatrice lebt in einer Stadt, in der die Menschen auf 5 Fraktionen aufgeteilt sind, die jeweils eine Charaktereigenschaft widerspiegeln. Das ist eine wirklich sehr eigene Organisation, denn ich finde, sich für nur eine dieser Eigenschaft zu entscheiden ist wirklich schwer, zumal eine Mischung aus allen doch am besten wäre. Sowohl für den Einzelnen, als auch für die Gesellschaft. Die Menschen, die führende Positionen besetzten sollten nicht nur selbstlos, sondern auch intelligent, ehrlich und freundlich sein. Dass ein solches System nicht lange bestehen kann, das ist ja wohl klar. Eine Fraktion wird sich gegenüber den anderen immer benachteiligt fühlen. Divergent spielt zu einer Zeit,  in der der Frieden zwischen den Fraktionen am Bröckeln ist..
Beatrice hat mich anfangs vor ein paar Rätsel gestellt. Ich wusste nicht genau, was ich von ihr halten soll. Das „brave“ Mädchen Image, wie es einige andere Protagonistinnen heutzutage haben, erfüllt sie nicht. Es ist schwierig, sich ein Bild von ihr zu machen, weil sie zuweilen selbst nicht weiß, wo genau sie hingehört. Da ich sie nicht einschätzen konnte, hatte ich keine Ahnung, für welche Fraktion sie sich wohl entscheiden würde. Dementsprechend hat mich ihre Entscheidung nicht überrascht, aber ich habe sie auch nicht erwartet. Man muss dabei bedenken, dass Beatrice es auch wirklich schwierig hat, sich zu entscheiden, da sie ja „divergent“ ist. Das bedeutet, in dem Test, der die Jugendlichen ihren Fraktionen zuordnen soll, konnte bei ihr nicht genau ermittelt werden, in welche Fraktion sie gehört. Sie hat also mehr Wahlmöglichkeiten als die meisten anderen. Genau das ist aber gefährlich, denn die Leute, die divergent sind, müssen sich hüten...
Wie wichtig es ist, das geheim zu halten, merkt Beatrice erst, als es schon fast zu spät ist.
AB HIER SPOILER Beatrice, die sich dann in Tris umnennt, entscheidet sich für die Dauntless Fraktion, also die Furchtlosen. Was sie dort erwartet, überschreitet wirklich jegliches Maß an Brutalität und sinnloser Gewalt. Andere zusammenzuschlagen und gegenseitiges Übertreffen hat für mich nichts mit Furchtlosigkeit zu tun, sondern mit blinder Zerstörungswut. Die Dauntless haben sich nicht in der Richtung entwickelt, für die sie einmal „gegründet“ wurden. Das müssen sich die Mitglieder dieser Fraktion auch eingestehen, obwohl aber die meisten wohl kein Problem damit zu haben scheinen.
Ich habe das Geschehen einerseits mit Schrecken, andererseits aber auch mit Faszination verfolgt. Tris und die anderen Jugendlichen, die sich für die Dauntless entschieden haben, müssen wirklich furchtbare Sachen über sich ergehen lassen. Bei der Beschreibung der brutalen Kampfszenen hat es mir allein vom Lesen überall wehgetan. Es ist schon erschreckend, wie fasziniert man angesichts dieser vielen Gewalt trotzdem noch sein kann. Ich hätte ja jederzeit aufhören können zu lesen, um mich von dieser abschreckenden Handlung zu befreien. Aber ich habe es nicht getan. Ich war viel zu neugierig. Das ist schon ein eigenartiges Gefühl.
Die Handlung umfasst größtenteils den „Alltag“ von Tris, den Drill der Jugendlichen, die Mitglieder der Dauntless werden wollen. Als wäre dieser „Alltag“ nicht schon schlimm genug, kommt nach und nach eine Art Intrige zum Vorschein, die wirklich schauderhafte Ausmaße annimmt. Es ist eine wirklich spannende Entwicklung und bis zur Auflösung selbst hatte ich keine Ahnung, was das eigentliche Geheimnis ist. 
Am Ende war ich einfach nur fassungslos. Aber auch ein bisschen fasziniert. Ich war hin und her gerissen, also auch divergent. Divergent hat es geschafft, dass ich am Ende über Entscheidungen von Tris geurteilt habe, allerdings auf eine Art und Weise, die mich doch sehr erschreckt hat. Ihr müsst euch das so vorstelle: Tris tötet am Ende einen ihrer Freunde, aus Gründen, die „nachvollziehbar“ sind, lässt aber einen anderen, der ihr wirklich übel mitgespielt hat am Leben. Mein Gedanke im ersten Moment war, wieso um alles in der Welt lässt sie ihn Leben? Wenn einer den Tod, verdient hat, dann doch er! Genau dieser Gedankengang hat mich erschreckt. Ich habe mich erschrocken vor mir selbst. Ein echt komisches Gefühl. Tris, die wirklich üble Dinge über sich ergehen lassen musste, und die allen Grund gehabt hätte, sich zu rächen, widersteht diesem Drang ihn zu töten und ich, als Beobachter, raste darüber total aus. Da bekommt man einen kleinen Abgrund in sich selbst gezeigt. 
Es gibt neben den eigenen Gefühlen aber auch einige andere Charaktere, die Dinge von sich preisgeben, mit denen man nicht gerechnet hat. Da glaubt man, man wisse alles über jeden und dann muss man sich eingestehen, dass dem wohl doch nicht so ist.
Neben all der Gewalt und den erschreckenden Szenarien gibt es in Divergent aber auch Dinge, die schön sind und einen Hoffnungsschimmer in all dem Schrecken bieten. Ich rede hier von der Verbindung zwischen Tris und Four, die im Laufe der Geschichte immer stärker wird. Natürlich haben sie aufgrund der äußeren Umstände nur geringe Chancen, eine „normale“ Beziehung zu führen, aber gerade dieses Bangen, die Hoffnung darauf, dass die beiden zusammen kommen können, begleiten den Leser durch das Buch und geben zwischenzeitlich auch ein positives Gefühl. 
Ein bisschen schade finde ich, dass es bei den Beschreibungen von einigen Handlungsorten doch etwas am Detail mangelt, so dass ich mir manche Szenarien nicht wirklich bildlich vorstellen konnte. Dem Lesefluss hat das kein Abbruch getan, aber ich habe es doch lieber, wenn ich weiß wo ich bin und wie es da aussieht, also lesetechnisch natürlich.

Fazit
Bevor man Divergent liest, sollte man wissen, worauf man sich einlässt. Es ist brutal, hart, erschreckend, aber auch faszinierend, mitreißend und sehr emotional. Ich habe die spannende Handlung mit Schrecken, aber auch mit Neugierde verfolgt, bin dabei über die Charaktere und über mich selbst erschrocken. Ich Leserin fühle mich in meinen Gefühlen zum Buch auch divergent, der Name ist also Programm. Die viele Gewalt in dem Buch und die Abgründe der Personen sind kein leichter Stoff und man muss sich darauf einstellen, das eine oder andere Mal kräftig zu schlucken. Ich finde, die Altersempfehlung von 14 Jahren ist zu niedrig angesetzt! Ich bin jetzt 21 und habe schon einige Dystopien gelesen und Divergent hat mich nicht kaltgelassen, im Gegenteil, die Geschichte verfolgt mich immer noch. Trotz allem, ich bin begeisters von diesem Debut!