Rezension

Manchmal ist weniger mehr!

Reise mit zwei Unbekannten -

Reise mit zwei Unbekannten
von Zoe Brisby

Bewertet mit 3.5 Sternen

Auf diese Geschichte habe ich mich wirklich gefreut: Ein generationsübergreifender Roadtrip mit dem Ziel der Selbstfindung und der Auseinandersetzung mit bedeutungsschweren Themen wie Alzheimer, Depressionen und aktiver Sterbehilfe vor einer französischen Kulisse.

In dem Roman Reise mit zwei Unbekannten von Zoe Brisby treten die über 90jährige Maxine, die es in ihrem Seniorenheim nicht länger aushält, und der depressive 25jährige Alex, irgendwo in Frankreich gemeinsam in einem Twingo eine Reise - initiiert durch eine Anzeige bei einer Mitfahrzentrale - nach Brüssel an. Maxine, topfit für ihr Alter, aber an Alzheimer erkrankt, möchte dort legale Sterbehilfe in Anspruch nehmen, während Alex diffuse Gründe – unter anderem Liebeskummer - antreiben.  Auf diesem allesverändernden Trip erleben sie gemeinsam so manches (mehr oder weniger realistische) Abenteuer, führen kuriose Gespräche und kommen sich dabei emotional sehr nahe.

Die Handlung lebt von Maxines besonderer Persönlichkeit. Sie ist das, was der Volksmund einen Charakter nennt. Auch wenn das Leben es nicht immer gut mit ihr meinte, hat sie seit dem erwachsenen Alter ein selbstbestimmtes Leben geführt. Da ihr Mann an Alzheimer gestorben ist und sie nun einige Anzeichen auch bei sich selbst diagnostiziert, beschließt sie für sich, ihrem Leben ein Ende zu setzen. Sicherlich spielt auch der Zustand in ihrem Altenheim, das nicht grundlos mit einem Gefängnis verglichen wird, eine nicht unerhebliche Rolle bei der Entscheidungsfindung. Diese weise Frau steht im diametralen Kontrast zu dem jungen und unerfahrenen Alex, der in so mancher Situation konservativer wirkt und handelt als die betagte Dame. Ihre Lebensweisheiten bewirken jedoch bei dem Jungen Wunder und der Leser spürt förmlich, wie Alex unter ihrem Einfluss im Twingo aufblüht. Dabei führen die beiden teils humoristische, teils tiefgründige Dialoge, die die ganz starken Momente des Werks bilden.

Der Roman thematisiert diskussionswürdige Themen wie Alzheimer, Depressionen, aktive Sterbehilfe, Freundschaft, Adoption und Selbstbestimmung im Hinblick auf das Ziel, das Leben zum Positiven zu verändern.  Das Setting des Roman sist wirklich großartig. Die literarische Realisierung hinkt jedoch etwas. Einerseits werden diese Themen sensibel, jedoch an der Oberfläche verharrend, behandelt, andererseits wirken viele Begebenheiten stark überspitzt bis grotesk und klamaukhaft. Hier gilt eindeutig, dass manchmal weniger einfach mehr ist. Das gilt auch für so manches leitmotivische Symbol des Textes, das eigentlich originell ist, sich durch die stetige Wiederholung aber abnutzt und an Reiz verliert.

Insgeheim habe ich auch gehofft, neben mehr Tiefe, etwas mehr "Frankreich" in dem Text zu finden. Hier wurden meine Erwartungen jedoch absolut enttäuscht. Der Roman könnte sonst wo spielen.

Das Roadmovie lässt mich daher mit gemischten Gefühlen zurück. Ich könnte mir diesen Roman allerdings mit der richtigen Besetzung durchaus als gute Komödie vorstellen. Natürlich nicht als Klamauk inszeniert, sondern mit Fokus auf den tiefgründigen Gesprächen und der Entwicklung der Beziehung der Protagonisten. Gerne aber mit dem Wortwitz des Textes!