Rezension

Manchmal kann es auch richtig sein, etwas Falsches zu tun

Elefanten sieht man nicht - Susan Kreller

Elefanten sieht man nicht
von Susan Kreller

Jedes zehnte Kind wird Opfer von Gewalt in der eigenen Familie. In dem Jugendbuch »Elefanten sieht man nicht« erzählt Susan Kreller die ergreifende Geschichte von Mascha, einem dreizehnjährigen, sehr mutigen Mädchen, das nicht verstehen kann, warum die Erwachsenen nicht sehen wollen, was sie sieht: Dass ihre beiden Freunde von ihrem Vater misshandelt werden.

Mascha verbringt die Sommerferien wie jedes Jahr bei ihren Großeltern, die in einer piekfeiner Siedlung leben, in der die Welt noch in Ordnung ist. In der Nachbarschaft kennt man sich, man feiert Grillpartys und geht zusammen in den Schützenverein. Auch wenn das für die dreizehnjährige oft ziemlich langweilig ist, fühlt sie sich eigentlich ganz wohl bei ihren Großeltern. Sie verbringt ihre Tage auf dem Spielplatz und lernt dort Julia und Max kennen. Die beiden sind verschlossen, außerdem lachen und spielen sie nie. Auf den ersten Blick erkennt sie, dass mit den beiden etwas ganz und gar nicht stimmt.

Als Mascha die vielen blauen Flecken auf den Körpern von Julia und Max entdeckt und anschließend beobachtet, wie der kleine Junge von seinem Vater geschlagen wird, will sie nicht mehr länger den Mund halten und ist fest dazu entschlossen den Kindern zu helfen. Doch davon will Maschas Familie nichts hören und auch die Polizei glaubt ihr nicht. Deshalb entscheidet sie, die beiden auf eigene Faust aus der ausweglosen Situation zu befreien – und dabei macht sie einen folgenreichen Fehler.

Obwohl das ganze Dorf von den Kindesmisshandlungen weiß, ist niemand dazu bereit, Julia und Max zu helfen – ganz im Gegenteil: Die Erwachsenen behaupten sogar, Mascha erzähle Lügen, obwohl sie es besser wissen. Die Situation wird tot geschwiegen und ist damit typisch für häusliche Gewalt. Die Geschichte von Mascha könnte jederzeit genau so passieren, wie die Autorin sie schildert und liegt daher umso schwerer im Magen. Es bleibt zu hoffen, dass es mehr Menschen wie Mascha gibt, die mit offenen Augen durch die Welt laufen und nicht davor scheuen, Zivilcourage zu leisten.

Susan Kreller behandelt das Thema ohne den Leser mit schrecklichen Gewalttaten zu schockieren (wie es beispielsweise in »Sie nannten mich ›Es‹« der Fall ist) oder den Zeigefinger zu erheben. Stattdessen macht sie bewusst, dass es manchmal auch richtig sein kann, etwas Falsches zu tun und dass nicht immer alles nur schwarz oder weiß ist. »Elefanten sieht man nicht« ist ein emotionsgeladenes, hochsensibles Buch zum Thema Gewalt und nicht nur eine empfehlenswerte Lektüre für Jugendlich ab 14 Jahren, sondern auch für Erwachsene geeignet.