Rezension

manchmal muss es "weniger" sein

Mister Weniger - Andrew Sean Greer

Mister Weniger
von Andrew Sean Greer

Bewertet mit 5 Sternen

Worum es geht: 

"Fuck Love and just get fat." 

Arthur Less muss weg, und zwar schnellstens. Seit ihm eine Einladung zur Hochzeit seiner Langzeitaffäre ins Haus geflattert kam, braucht er einen triftigen Grund warum er nicht kommen kann. Kurzerhand nimmt der mehr schlecht als rechte Schriftsteller jedes Angebot an, das ihm unterbreitet wird. Ein Symposium zu Ehren seines Ex-partners in Mexico? Wieso nicht! Eine Dozentenstelle für paar Wochen an einer Deutschen Uni? Immer her damit! Preisverleihung in Italien? Less ist da. Doch während Arthur vor Freddy und der Liebe flüchtet, findet er sich selbst und vielleicht letztendlich auch was sich zu lieben lohnt.

“Strange to be almost fifty, no? I feel like I just understood how to be young."
"Yes! It's like the last day in a foreign country. You finally figure out where to get coffee, and drinks, and a good steak. And then you have to leave. And you won't ever be back.”

 

Meine Meinung: 

Keiner wird mir glauben, aber ich wollte das Buch echt ernsthaft, ja wirklich, bereits lesen bevor diese News ausbrach: 

“You won?”
“It’s not Pew-lit-sir. It’s Pull-it-sir. Holy fuck, Arthur, I won.”

Mister Weniger gewann kurz vorm deutschen Erscheinungstermin den Pulitzer und auf einmal liest ihn jeder. Aber wie bereits angedeutet, das Buch stand schon auf meiner Wunschliste. Ich hatte ihn mir bis zum alljährigen Pride month ( Juni ) aufgehoben und wurde von der erfreulichen Nachricht überrascht, aber auch verunsichert. Mein Steckenpferd sind Unterhaltungsromane und Romantik. Hier und da ein Jugendbuch. Ab und an versuch ich mich an Preisträgern und hab zum Glück ein recht gutes Händchen. Nach einer kleinen Recherche muss ich zugeben, dass ich überrascht bin wie viele Pulitzpreistragenden Titel ich bereits gelesen habe. Kam mir gar nicht so vor... und so sehe ich Mister Weniger auch weiterhin als Unterhaltungsroman an. Mit Auszeichnung. 

Kurz vor seinem 50. Geburtstag muss Less mit sich selbst ins Reine kommen, jemand anderes wird er jetzt nämlich nicht mehr. Während wir eine Komödie lesen, braucht es ein langes Weilchen bis Less ebenfalls den Humor in seinem für ihn deprimierenden Leben sieht. Die berühmte Midlife Crisis versucht er zu entkommen, nur um feststellen, dass er wohl schon längst drin steckt. Less fühlt sich wie der einzige schwule Mann der Welt der 50 wird, reflektiert sein Leben und versucht ein wenig Sinn zu finden. 
Was macht jemanden Glücklich? Wann ist man erfolgreich? 
Mich hat glücklich gemacht, einen durchschnittsmenschen dargeboten zu kriegen. Less ist nicht sonderlich attraktiv, nicht sonderlich erfolgreich und seiner Aussage nach nicht sonderlich gut im Bett. Nichts was er tut ist irgendwie aussergewöhnlich. Ich habe Less geliebt für all diese Attribute. Man muss sein Weltretter, Schönheitskönig oder Sexgott sein um geliebt zu werden. Less ist nicht missverstanden oder unentdeckt. Er sitzt nur ein bisschen länger auf der Leitung. 

Arthur Less muss auch erkennen, dass sein Leben nicht ausschliesslich so ist, wie er es sieht. Viele Menschen begegnen ihm, alle mit einer anderen Sicht auf sein Leben, eine neue Erkenntnis. Viel Situationskomik lockert die bedeutungsschwangere Handlung auf und lässt den Leser trotz deprimierendem Arthur's beschwingt durch die Seiten fliegen. Andrew Greer verschlingt den Leser in seine Welt, viel fühlt sich biografisch an, viel ist Seitenhieb auf seinen Beruf. Vie wird aber auch weggelassen und der Fantasie des Lesers überlassen. "Weniger" ist mehr? 

Der nicht namentliche Erzähler von Arthur's Reise schafft es, dass der Leser sich kümmert. Man spürt die Liebe, mit welcher der Erzähler die Geschichte überliefert, und die Hoffnung dass der Leser ihn ebenfalls ins Herz schliesst. Denn vom Erzählers Standpunkt aus ist Arthur Less' Geschichte gar nicht mal so schlecht. Und dem schliesse ich mich an. 

“She told me she met the love of her life,” Zohra says at last, still staring out the window. “You read poems about it, you hear stories about it, you hear Sicilians talk about being struck by lightning. We know there’s no love of your life. Love isn’t terrifying like that. It’s walking the fucking dog so the other one can sleep in, it’s doing taxes, it’s cleaning the bathroom without hard feelings. It’s having an ally in life. It’s not fire, it’s not lightning. It’s what she always had with me. Isn’t it? But what if she’s right, Arthur? What if the Sicilians are right? That it’s this earth-shattering thing she felt? Something I’ve never felt. Have you?”