Rezension

Manchmal muss man sich erst verlieren, um sich selbst zu finden.

Serienunikat
von Chantal-Fleur Sandjon

Berlin calling.

Ann-Sophie wird zukünftig Pharmazie studieren. Ganz so, wie ihre Eltern es von ihr erwarten. Um sich jedoch ein Stück Selbstverwirklichung zu sichern, hat sie sich für Berlin als Studienort entschieden. Damit kehrt sie ihrem verschlafenen Nest, ihren Eltern und ihrem langjährigen Freund den Rücken. Raus aus dem Trott und rein in den Großstadtdschungel, um das Leben zu spüren. Doch Ann-Sophie erkennt ziemlich schnell, dass eine neue Stadt nicht gleich ein neues Leben bedeutet. Gleichzeitig findet sie auf ihrer WG-Suche jedoch zumindest schon einmal eine neue Familie: Drei völlig unterschiedliche Unbekannte werden zu ihrem Halt in der Großstadt.

Und der Zusammenhalt innerhalb ihrer WG wird bald wichtiger für Ann-Sophie, als sie es sich vorstellen kann. Sie lässt sich zunächst berauscht von den Farben, der Freiheit und den Möglichkeiten in der Hauptstadt treiben. Das Leben in Berlin ist anstrengend und aufregend zugleich, daher droht sie langsam, aber sicher zu versinken. Doch sie hält an ihren Träumen, ihre Freiheit und ihren Idealen fest. Sie kämpft sich ganz nach dem Try-and-error-Prinzip durch und lernt nicht nur ihre verrückten Mitbewohner und die bunte Stadt mit jedem atemberaubenden Moment besser kennen und lieben, sondern auch sich selbst. Doch schon bald droht ihr Traum vom Großstadtleben elendig zu zerplatzen …

„Wir rasen unserem eigenen Atem hinterher, dem Horizont entgegen und wünschen uns Flügel. Würden wir abheben, so wäre es nicht verwunderlich. Wir sind grün und digital, hoffnungsvoll und realistisch, Weltverbesserer und Weltenbummler, verliebt und verlebt, vernetzt und ungebunden, haben die Taschen voll unreifer Ideen und den Kopf voll einstürzender Erwartungen unserer Eltern. Wir sind 100.000 Unikate – in Serie.“

Manchmal muss man sich erst verlieren, um sich selbst zu finden.

Viele Teens und Twens träumen den Traum von einem hippen Leben im urbanen Berlin – und manche lassen den Traum Realität werden, so auch das Landei Ann-Sophie. Sie entdeckt nicht nur die Großstadt, sondern auch ihren wahren Kern. Dass die Probleme dabei nicht lange auf sich warten lassen, ist wohl kaum ein Wunder. Ann-Sophie muss sich zum Beispiel gegen ihre herrischen Eltern durchsetzen, die ihre ganz eigenen Pläne für das werte Töchterchen haben. Auch ihr Freund macht ihr das Leben in Berlin nicht gerade leicht. Während seine Angebetete von einem Leben in Freiheit und voller Abenteuer träumt, sind ein Reihenhaus auf dem Land und eine kleine Familie für ihn die ultimativen Lebensziele. Kein Wunder also, dass die Konflikte da vorprogrammiert sind. Dessen ist sich auch die junge Pharmaziestudentin bewusst, doch manchmal gleicht es eben einer Prüfung, den Tatsachen ins Auge zu sehen.

Gleichzeitig beschäftigt sich dieser Roman jedoch nicht nur mit der Großstadt und dem Leben seiner Protagonistin dort, sondern auch mit den Problemen, mit der die Generation Y zu kämpfen hat: der Wunsch nach Selbstbestimmung und den Drang in jedem Moment das Besondere zu sehen. Der Roman macht auch um existenzielle Themen wie Esstörung und Drogenmissbrauch keinen Bogen. Dabei belehrt Chantal-Fleur Sandjon jedoch nicht mit erhobenem Zeigefinger und entmündigt ihre Leser auch nicht durch Moralstatuten, die sonst bei diesen Themen gerne vorgetragen werden. Vielmehr traut sie ihren Lesern eine gewisse Vernunft zu, diese Themen bewusst zu verarbeiten, und das Leben nicht mit einer rosaroten Brille zu sehen. Durch ihre poetische Sprache und die charmanten Charaktere, die Ann-Sophie auf ihrem Weg begleiten, nimmt sie den von ihr angesprochenen Themen zwar die Bitterkeit, aber nicht die Ernsthaftigkeit.

Fazit

Serienunikat von Chantal-Fleur Sandjon ist ein cleverer Roman, der einige Probleme der sogenannten Generation Y anspricht. Dabei werden Entscheidungen, Erlebnisse und Handlungen weder verschönt noch verteufelt. Und genau diese Neutralität gibt den Raum, sich selbst mit den angesprochenen Themen auseinanderzusetzen, ohne eine lediglich konsumierte Meinung zu reflektieren. Gleichzeitig regt der Roman zum Nachdenken über die eigenen Träume an – Gedanken, die im Alltag wohl viel zu oft missachtet werden.