Rezension

manchmal trügt der Schein, vor allem in Vegas - faszinierende Märchenadaption

Wild Hunt Casino -

Wild Hunt Casino
von Tina Skupin

Im ersten Band der Märchenadaption-Reihe befinden wir uns in Las Vegas, der Stadt, die niemals schläft und mehr Schein als Sein ist. Mit Action, humorvollen Dialogen und vielschichtigen Charakteren erlebt der Leser das Abenteuer von Ti, die nach elfjähriger Verbannung zurückkommt, um sich ihrem Gegner Oberon zu stellen, der mit seinem Horn und der wilden Jagd über Vegas herrscht. Ihr Ziel: ihr Casino zurückerobern und Vegas befreien. Dafür stellt sie eine bunte Gruppe aus Elfen zusammen, die mich mit ihrem Witz, faszinierenden Talenten und Mut vom ersten Moment eingenommen hat. Die Geschwister, beide noch sehr jung und unerfahren, vertrauen Ti, die hier die böse Stiefmutter aka Hexe darstellt und werden daher auch schnell zu einem Spielball der Glücksfee, was zu zusätzlichen Schwierigkeiten und somit Spannung geführt hat. Dafür, dass Anita und Ernesto in den Twist zwischen Ti und Oberon hineingezogen werden, ohne viel ausrichten zu können, haben sie sich gut geschlagen und vor allem Anita, mit ihrer taffen Art und wie sie der Elfin die Stirn geboten hat, gefiel mir gut.

Die Glücksfee Ti ist eine Hauptfigur mit moralischen Grauzonen. Keine durch und durch liebenswerte, typisch heldenhafte Figur, sondern fehlbar, hinterhältig und berechnend. Gegen Ende hin zeigt sie sich reumütig, womit sie wieder Sympathiepunkte gewonnen hat. Durch das Eintauchen in ihre Gedankenwelt wirkt ihr Handeln authentisch, nicht immer direkt nachvollziehbar, denn in Vegas wird nicht mit offenen Karten gespielt. Obwohl ihre Art manches Mal fragwürdig ist, muss man sie schlussendlich doch einfach irgendwie mögen. Genau wegen ihrer kontroverser Art, die für einen Hauptprotagonisten eher selten gewählt wird und Abwechslung in den Lesealltag bringt.

Von Oberon, der selbstsüchtig und überheblich daherkommt, hätte ich mehr erwartet. Als Gegenspieler war er mir zu abwartend, zu selbstsicher, als Gewinner hervorzugehen und daher einer der schwächsten Charakteren in diesem Buch. Auch wenn er gegen Ende hin mit einer Überraschung aufwartet und mich dann doch noch von den Socken gehauen hat.
Die wilde Jagd kommt eher am Rande vor und erhält im zweiten Band mehr Bühne. In diesem Band hat mir teilweise das Gefährliche, das Wilde und eine ausweglose Jagd gefehlt, was aber nicht zu einem Sternabzug führt, da hier Ti`s Abenteuer die Hauptrolle spielt.

Die Elfen waren für mich eine positive Überraschung. Sie bedienen sich nicht der klischeehaften Beschreibungen, kommen moderner daher und wurden mit interessanten Fähigkeiten gekleidet, die ich so bisher nicht mit Elfen in Verbindung gebracht habe. Sie wurden gut ausgearbeitet, sind facettenreich und vielschichtig angelegt worden und ergänzen sich in mancher Hinsicht gut bzw sorgen für Konfliktpotenzial. Allzu viel Tiefe bei den Charakteren und der Handlung darf jedoch nicht erwartet werden, da es sich um eine Novelle und keinen Roman handelt.

Der Schluss war für meinen Geschmack jedoch zu einfach gestrickt. Alles lief zu glatt, kaum Hürden zu meistern. Da hätte ich ein wenig mehr Stolpersteine und Gegenwehr erwartet – allen voran von Oberon höchstpersönlich. Trotzdem wurde ich gut unterhalten und es gibt einige überraschende Wendungen, weshalb ich das Buch gerne weiterempfehle. Und obwohl es nur knapp 100 Seiten hat, hat es sich die Autorin nicht nehmen lassen, einzelnen Szenen mehr Raum zu geben, um sich entfalten zu können und Atmosphäre aufzubauen. Das Feeling von Glücksspiel, Show und Illusion kommt definitiv nicht zu kurz und wird durch den bildhaften Schreibstil gut untermalt. Es lässt sich allgemein angenehm und flüssig lesen. Sehr oft hatte ich ein Schmunzeln auf den Lippen, da der Humor immer wieder zwischen den Zeilen aufblitzt. Selten habe ich ein Buch mit einer so geringen Seitenzahl gelesen, welches mich wirklich von sich überzeugen konnte.

Von mir gibt es 4 von 5 Sterne, einfach, weil ich mir für den Diebstahl (letzter Drittel) mehr Nervenkitzel gewünscht hätte.

Die Sage »wilde Jagd« und das Märchen »Brüderchen und Schwesterchen« wurden vom Autorinnenduo Tina Skupin und Janna Ruth zu etwas Neuem verwoben und können auch unabhängig voneinander gelesen werden. Ich kenne beide Vorlagen gar nicht und behaupte, dass Kenntnisse auch nicht notwendig sind, um die Novellen geniessen und verstehen zu können.