Rezension

Marie Aubert überzeugt mal wieder auf ganzer Linie

Eigentlich bin ich nicht so -

Eigentlich bin ich nicht so
von Marie Aubert

Bewertet mit 4.5 Sternen

Die norwegische Autorin hat nach „Erwachsene Menschen“ ein weiteres Highlight geschrieben. Wieder einmal zeigt sie ihr Händchen für komplexe Familiengeschichten und facettenreiche, unperfekte Hauptfiguren.

In wechselnden Perspektiven begleiten wir Hanne, Bård, Linnea und Nils über das Wochenende von Linneas Konfirmation. Hanne kehrt dafür erstmalig mit Partnerin und ohne ihr früheres Gewicht in ihre Heimat zurück. Dort gerät sie nicht nur an die Grenzen von (internalisierter) Fettfeindlichkeit, sondern muss auch feststellen, dass die OP viele grundlegende Probleme natürlich überhaupt nicht gelöst hat. Ihr Bruder Bård, der ein aus Hannes Perspektive erfolgreiches Leben führt, hat eine Affäre und plant seine Familie zu verlassen. Linnea macht die schmerzlichen Freundschaftserfahrungen eines Teenagers und Nils reflektiert über die Beziehungen zu seinen Kindern Hanne und Bård. In Rückblenden lernen wir zudem die komplexe Vergangenheit der erwachsenen Figuren kennen, sodass sich kein übereiltes Gut-Böse-Denken verfangen kann.

Auberts Romane leben von authentischen Figuren, die sie mit allen problematischen Gedanken zeichnet. Und ich liebe das Nahbare, das Komplizierte, das Zum-Haare-Raufende - eben das ganze „Eigentlich bin ich nicht so“! Dieses neue Buch wird besonders von allem Unausgesprochenen geprägt, das wahrscheinlich alle aus der eigenen Familie kennen. Im Zuge der Geschichte spitzt sich das natürlich zu, doch trotz aller Differenzen gibt es immer wieder von Verbundenheit geprägte Momente.

Dieses Buch ist kein Wohlfühlbuch, aber es ist auch nicht das Gegenteil davon. Es ist ehrlich, verzwickt und dabei so nahbar, dass ich es nicht aus der Hand legen konnte. Das Ende hätte ich mir ein bisschen weniger offen gewünscht, andererseits passt das auch völlig zur Komplexität der Geschichte (und des Lebens).