Rezension

Markaris setzt sich mit seinen Roman und diesen Geschichten – obwohl Fiktion- sehr kritisch mit der aktuellen gesellschaftlichen Lage auseinander.

Der Tod des Odysseus - Petros Markaris

Der Tod des Odysseus
von Petros Markaris

Petros Markaris, Der Tod des Odysseus, Diogenes 2016, ISBN 978-3-257-06979-2

 

Das neue in Griechenland 2015 erschienen Buch von Petros Markaris ist kein weiterer Roman über seinen Kommissar Kostas Charitos , sondern eine Sammlung von unterschiedlich langen „Geschichten“.

Darunter finden sich auch zwei kurze Texte, in denen Charitos eine Rolle spielt. Sie sind aber für das Buch eher marginal und wohl nur beigefügt, um die Charitos Fans bei Laune zu halten.

 

Die anderen Geschichten handeln von Menschen, Griechen und Türken hauptsächlich. All dieses Menschen sind so wie der antike Odysseus in der Fremde unterwegs, haben viele Prüfungen zu bestehen, geben die Hoffnung nicht auf und sind zumeist brutalen Gegnern ausgesetzt, die es nicht gut mit ihnen meinen.

 

Die für mich wichtigste und für das Buch zentrale Geschichte – sie ist auch mit fast 100 Seiten die längste- trägt den Titel „Drei Tage“ und erzählt von einem Protagonisten namens Vassilis und wie er und seine Familie das Pogrom von Istanbul am 6. September 1955 erlebten, das von langer Hand von der Regierung vorbereitet war.

„Vor einundsechzig Jahren geschah es in der Nacht vom 5. auf den 6. September 1955, da stürmen laut brüllend grölende Horden mit Äxten, Hämmern, Säbeln und Dynamit bewaffnet entlang des Istiklal- Boulevards.

Sie brandschatzten und plünderten Geschäfte und Unternehmen die zur lokal griechischen Gemeinde gehörten. Der Mob griff hauptsächlich griechisch besiedelte Stadtteile in ganz Istanbul an, mehr als 4000 Geschäfte wurden zerstört, über 70 Kirchen und 30 Schulen zertrümmert. Priester wurden geschlagen, griechisch- orthodoxe Friedhöfe wurden geschändet.“ ( Der Freitag, 10.6.2016)

Es war nicht das erste Mal, dass unbeteiligte Minderheiten Opfer von Machtkämpfen in der Türkei wurden. Praktisch seit der Gründung der Republik durch Kemal Atatürk im Jahre 1923 ist die Türkei überzeugt davon, dass seine Minderheiten, in erster Linie Griechen und Armenier, (heute die Kurden) als 5. Kolonne fremder Mächte Ankaras Feinde sind. Diese Angst, die durch den Zusammenbruch des Osmanischen Reiches zum "unterirdischen" Flächenschwelbrand wurde, hat sich immer wieder in der türkischen Politik für ganz unterschiedliche Ziele instrumentalisieren lassen, zuletzt in diesem Jahr.

Ankara inszeniert gegebenenfalls erst ein Ereignis, wenn das Muster dazu passt, bzw. das Muster bestätigt werden kann. Am Vorabend des 6. September gab es einen Angriff in Thessaloniki auf das Geburtshaus Kemal Atatürks. Damit war die Lunte an die Fackel lodernder Emotionen gelegt und in Brand gesetzt. Obwohl die Rädelsführer angeblich an den Mob keine Waffen verteilt hatten, endete die Pogromnacht mit über 30 Toten, Hunderten von Verletzten, und Dutzende von vergewaltigten Frauen und Männern.

 

All dies beschreibt Markaris in der Geschichte „Drei Tage“ beeindruckend.

 

Man sieht, gewisse Vorgänge haben in einer sich weiter islamisierenden Türkei offenbar Tradition.

Als Petros Markaris diese und andere Geschichten des Bandes schrieb, konnte er nichts ahnen von dem gescheiterten (oder angezettelt-gescheiterten?) Putsch 2016. Ich bin aber sicher, er wäre vor allen Dingen von den Reaktionen Erdogans nicht überrascht gewesen.

 

Markaris setzt sich mit seinen Roman und diesen Geschichten – obwohl Fiktion- sehr kritisch mit der aktuellen gesellschaftlichen Lage auseinander.