Rezension

Marseille - sehen und sterben

Zara und Zoë - Rache in Marseille - Alexander Oetker

Zara und Zoë - Rache in Marseille
von Alexander Oetker

Zara und Zoe sind zwei sehr ungleiche Zwillingsschwestern. Einander auseinandergelebt und entfremdet, arbeitet die regelkonforme Zara als Europol-Ermittlerin an schwierigen, grenzüberschreitenden Fällen. Ihre Schwester Zoe ist dagegen auf die schiefe Bahn geraten, arbeitet für einen korsischen Drogenbaron, ist skrupel- und kompromisslos. Hier prallen im wahrsten Sinne des Wortes Gesetz und Gewalt aufeinander. Als die junge Migrantin Aischa bestialisch ermordet wird, wird Zara auf den Fall angesetzt. Zusammen mit ihrem Kollegen Isaakson versucht sie in den berüchtigten Banlieus von Marseille, in denen Gewalt, Drogen und die Mafia das Sagen haben den Mörder zu finden und stößt auf eine Mauer des Schweigens. Zara weiß, dass ihr bei den Ermittlungen nur eine helfen kann, ihre Schwester Zoe. Kurzerhand tauschen beide die Rollen und Zoe beginnt eine gnadenlose Verbrecherjagd ...

Zunächst einmal muss ich die Covergestaltung wirklich loben. Das ganze Motiv und die vorherrschenden roten Farben, fangen die Atmosphäre dieses Buches richtig gut ein und rücken den Schauplatz dieses Thrillers in den Vordergrund: Marseille. Sie wirken schön und gleichzeitig bedrohlich. Auf jeden Fall ist das Cover ein echte Hingucker.

Schon immer eine Problemstadt, herrscht in Marseille vor allem Korruption und in den Vororten prallen soziale Gegensätze, Kriminalität, Islamismus und Drogen aufeinander. Man will gar nicht so richtig glauben, dass nur wenige Kilometer nördlich bzw. östlich eine traumhafte Urlaubsregion liegt, von deren knallharter Realität der allgemeine Urlaubsreisende so gar nichts mitbekommt. Dem Autor gelingt meiner Meinung nach sehr gut, eine glaubhaft konstruierte Milieustudie aufzubauen, die in einen temporeichen Thriller verpackt wird und die auch aktuelle Themen, wie den wachsenden islamistischen Extremismus und die Terrorgefahr, aufgreift.

Der Schreibstil des Autors ist dabei sehr fesselnd, die Charaktere sehr gut herausgearbeitet. Teilweise hat mich zwar der sich ständige Perspektivwechsel zwischen den Charakteren Zara, Zoe, Isaakson und den unsichtbaren Dritten, etwas gestört. Aber das trug letztlich auch dazu bei, dass sich eine gewisse Grundspannung entwickeln konnte und auch konsequent durchzog.

Spannend fand ich den Konflikt der beiden Schwestern, der eigentlich so untypisch für Zwillinge ist. Ich denke, dass es sich hier auch um ein Synonym für Marseille handelt, die ja auch ständig zwischen Gesetzestreue und purer Gewalt hin und her schwankt und deren Gesetzeshüter es sich sicherlich auch nicht immer leicht haben, den schmalen Grad zwischen den beiden Polen zu halten. Obwohl ich persönlich Zoe's Verhalten als abstoßend empfinde, so gewinnt sie im Verlauf der Geschichte dennoch an Sympathie - denn sie darf trotz ihrer Härte, auch Skrupel zeigen und für die Gerechtigkeit eintreten. Ich finde, das ist eine sehr spannende Charakterentwicklung, die für mich ein Highlight der Geschichte ist.

Mein Fazit: Ein sehr packender, vielschichtiger Thriller vor dem Hintergrund extremistisch-islamistischer Bedrohungen und raffiniert entwickelten Hauptcharakteren.