Rezension

Mathematik mal anders

Das Geheimnis der Eulerschen Formel - Yoko Ogawa

Das Geheimnis der Eulerschen Formel
von Yoko Ogawa

Bewertet mit 5 Sternen

Ein kleines feines Büchlein über eine etwas andere Freundschaft.
Ein alter Mathematikprofessor hat bei einem Unfall einen Schaden am Kopf erlitten. Seitdem kann er sich nur noch an Ereignisse erinnern, die vor dem Jahr 1975 stattfanden. Sein Kurzzeitgedächtnis beschränkt sich auf ziemlich genau 80 Minuten.
Das damit nicht jeder klarkommt, ist verständlich. So hat der Professor einen recht hohen Verschleiß an Haushälterinnen, die seine Schwester für ihn einstellt und eben auch wieder rausschmeißt, wenn sie denn nicht von ganz allein wieder gehen.
Mit der neuen Haushälterin allerdings wird alles anders. Denn diese kommt irgendwann nicht mehr allein, sondern bringt ihren Sohn mit.

Dieser scheint an etwas im Professor zu rühren, was immerhin im entfernten Sinne mit Mathematik zu tun hat. In Anbetracht seiner Physiognomie nennt der Professor ihn Root (Wurzel), denn mit seinem etwas flachen Kopf erinnert er ihn an das mathematische Wurzelzeichen.
Schnell entwickelt sich zwischen dem Professor und Root eine besondere Art der Freundschaft. Root geht gar nicht gern zur Schule und hat demnach natürlich auch nicht viel mit Mathematik am Hut. Durch die feinfühlige Vermittlung des Professor, der ganz einfach nur seine Begeisterung an der Mathematik mit dem Jungen teilt und anhand alltäglicher Dingen mathematische Formalen erklärt, sind die beiden bald nahezu unzertrennlich, soweit man das beim Geisteszustand des Professors sagen kann.

Denn nicht nur hilft der Professor dem Jungen in Sachen Mathematik auf die Sprünge. Die beiden entdecken auch bald eine weitere Gemeinsamkeit. Baseball. Der Professor war in der Zeit, an die er sich nach wie vor erinnern kann, ein großer Baseball-Fan. Und zufällig sind beide Fan vom gleichen Team, allerdings mit einem Abstand von mehr als dreißig Jahren. Da der Professor immer noch im Jahre 1975 lebt, kommt es zu einigen Unklarheiten bei den Spielernamen, vor allem weil sein Lieblingsspieler einfach nicht mehr aufläuft.

Nach und nach hat man den Eindruck, dass sich der Professor doch an mehr als nur die vorgeblichen 80 Minuten erinnert. Erwartet er doch geradezu den Besuch des Jungen. Leider hat das ganze bald ein Ende, denn die Schwester ist mit den vielen Ausflügen und dem aufblühenden Wesen des Professors gar nicht einverstanden…

Ein wirklich schönes Buch über Mathematik, Baseball und eine Freundschaft, die unverhofft unverrückbar geglaubte Grenzen überwindet.