Rezension

Matriarchat oder Patriarchat?

Männer sterben bei uns nicht -

Männer sterben bei uns nicht
von Annika Reich

Bewertet mit 5 Sternen

Die Frauen einer Familie leben zusammen auf einem großen Anwesen mit fünf Häusern am See – ohne Männer. Nur die Großmutter weiß um die dunklen Flecken ihrer Geschichte. Als sie stirbt, kommen die „Geister der Vergangenheit“ ans Licht.

Annika Reich, Jahrgang 1973, ist Schriftstellerin und Künstlerische Leiterin des Aktionsbündnisses WIR MACHEN DAS und WEITER SCHREIBEN, des preisgekrönten Portals für AutorInnen aus Kriegs- und Krisengebieten. Sie hat Romane und Kinderbücher veröffentlicht und wohnt in Berlin.

In einem bildhaften und poetischen Schreibstil führt uns die Ich-Erzählerin Luise durch ihre Biografie. Anlässlich der Beerdigung ihrer Großmutter, deren Lieblings-Enkelin sie war, erinnert sie sich, scheinbar zusammenhanglos, an Begebenheiten aus Kindheit und Jugend. Diese hat sie mit Frauen verbracht. Die Männer „kamen und gingen“ (Seite 7), sie kommen nur am Rande vor, mit Ausnahme des Großvaters, der häufiger erwähnt wird. Die Großmutter herrscht über Tochter Marianna, Schwiegertochter Ingrid, deren Mutter Vera und ihren Enkelinnen Olga, Leni und Luise. Wichtig ist ihr vor allem, den Schein zu wahren. Wer versucht, sich der Großmutter zu entziehen, wird verstoßen. So ergeht es Luises Schwester Leni, zu der sie eine enge Bindung hatte.

Bei der etwas befremdlich anmutenden Beerdigung, dem anschließenden Leichenschmaus und der Fahrt zurück auf das Anwesen erkennt Luise, dass sie ihr Leben leben kann, auch wenn sie das Erbe der Familie in sich trägt.

Die Autorin erzählt konsequent aus Luises Sicht, was impliziert, dass vieles nicht erwähnt wird und zwischen den Zeilen zu lesen ist. Das passt in meinen Augen sehr gut zu dieser Familiengeschichte, in der vor allem die Großmutter viele Geheimnisse hat, einiges lässt sich erahnen, anderes bleibt ungeklärt.

Das auf den ersten Blick wunderschöne Cover zeigt bei näherem Hinsehen die Vergänglichkeit. Der Blumenstrauß welkt, die Quitten beginnen zu schrumpeln, die Schale ist angeschlagen und der Fisch, der sich mutig aus dem Wasser katapultiert hat, wird es nicht überleben. Es passt hervorragend zum Inhalt.

Fazit: ein brillanter Roman über Machtmechanismen, über Familie, über Frauen, der nachhallt