Rezension

Max Heller lässt sich nicht verbiegen

Tausend Teufel - Frank Goldammer

Tausend Teufel
von Frank Goldammer

Bewertet mit 5 Sternen

Frank Goldammer entführt seine Leser in das saukalte, zerstörte Dresden im Jahr 1947. Es mangelt an allem, an Lebensmitteln, an Wohnraum, an Heizmaterial. Das einzige, das nicht Mangelware ist, sind Menschen, die den Nazis nachtrauern und die neuen Machthaber, die Sowjets hassen.

Max Heller und sein Assistent Werner Oldenbusch gehen ihrem Tagwerk als Kriminalbeamte wie schon während der Nazizeit weiter nach. Heller weil er weder seinerzeit der NSDAP noch jetzt der SED beitritt, obwohl eine Parteizugehörigkeit heute wie damals eine Menge Vorteile brächte. Eine neue Wohnung oder ausreichend Lebensmittel zum Bespiel. Doch Heller lässt sich nicht verbiegen.

Doch nun zum Inhalt:

Heller und Oldenbusch werden zu einem toten sowjetischen Soldaten gerufen, in dessen Nähe sich ein Rucksack mit einem abgetrennten Kopf befindet. Bald ist klar, dass es sich hier um Mord handelt und, dass Heller hier nichts zu melden hat. Trotzdem ermittelt er weiter. Er erfährt, dass dies die zweite Leiche eines Besatzungssoldaten ist. Hängen die Morde zusammen?

Und was spielt der Anschlag auf „den schwarzen Peter“, einer üblen Spelunke, die auch als Bordell für russische Besatzer dient für eine Rolle?

Heller muss sich nicht nur mit der tristen Versorgungslage herumschlagen, sondern auch mit Staatsanwalt Speidel, der dieses Amt schon unter dem NS-Regime bekleidet hat.

Doch auch den Russen ist die Aufklärung der Morde anscheinend nicht wirklich wichtig. Immer wieder wird gemauert. Der russische Geheimdienst unter Genossen Ovtschorov kocht auch sein eigenes Süppchen. Immer wieder versucht er Heller durch mit Lebensmittel gefüllten „Pajoks“ (= Päckchne) zum Eintritt in die SED zu „überzeugen“. Doch Max Heller bleibt standhaft.

Meine Meinung:

Autor Frank Goldammer ist wieder ein extra fesselnder Kriminalroman gelungen. Anknüpfend an „Der Angstmann“ wird die Lage der Menschen im zerstörten Dresden authentisch wiedergegeben.

Fast jede der auftretenden Figuren hat Familienmitglieder, Freunde oder Bekannte im Dresdner Feuersturm oder im Krieg allgemein verloren. Die meisten geben nun Hitler die Schuld an der Situation, vergessen aber dabei, dass sie selbst Teil des Systems waren. Einige unbelehrbare Nazis, wie Frau Schlüter, beharren nach wie vor auf der Idee des „Tausendjährigen Reichs“ und wollen dieses mit allen Mitteln wiederherstellen.

Leidtragende sind auch die vielen Kinder jeden Alters, die ihre Eltern verloren haben und nun unter der „Führung“ von Jörg und Fanny in der Dresdener Heide leben. Die beiden Jugendlichen sind von der Nazidiktatur so durchdrungen, dass sie mit den neuen Zeiten ebenso wenig anfangen können, wie Friedel Schlüter.

Während Max Heller geradlinig seine Gesinnung, keiner Partei beitreten zu wollen, bis aufs Äußerste strapaziert, bin ich mir bei Oldenbusch nicht ganz so sicher. 

Gut nachzuvollziehen sind die Ängste die Max Heller und seine Frau Karin um die Söhne Erwin und Klaus ausstehen müssen. Als dann Klaus nach langem bangen Warten endlich nach Hause kommt, wird er erst von seinem Vater nicht erkannt. Eine Situation, die Max am eigenen Leib erfahren hat, als er aus dem Ersten Weltkrieg zurückgekehrt ist. Die Zeit in der Wehrmacht und in der russischen Gefangenschaft haben tiefe Spuren in Klaus hinterlassen. Mit diesen wird er bestimmt noch lange zu kämpfen haben. 

Auf Seite 60 macht sich Max Heller so seine eigenen Gedanken über die Menschen: 
"Mittlerweile war Hitler für viele eine passable Ausrede. Hitler war schuld, sagten die Leute dann und mussten nicht darüber nachdenken, welche Schuld sie selbst trugen. Hitler hat uns in den Abgrund getrieben, klagten sie, als ob ein Mensch allein für all das Elend verantwortlich sein könnte." 

Heller ist klar, dass diese Zeit noch lange nachwirken wird. Da viele Fachkräfte fehlen, werden die Entnazifizierungsprozesse in aller Eile und nicht sehr sorgfältig durchgezogen. So kommt es, dass sowohl in der Justiz (siehe Speidel) als auch bei der Polizei nach wie vor Menschen mit nationalsozialistischem Hintergrund und Gedankengut ihre Arbeit verrichten. Am schlimmsten sind die Kinder dran, die im Geister der Nazis erzogen wurden und nichts anderes kennen

Fazit:

Ein fesselnder Krimi, der die damaligen Machtverhältnisse und Stimmung authentisch wiedergibt. Ich empfehle, den ersten Band „Der Angstmann“ vorab zu lesen, da sonst einige Zusammenhänge verloren gehen. Gerne gebe ich 5 Sterne und erwarte mit Ungeduld Band 3, der im Juni 2018 unter dem Titel „Die Vergessenen“ erscheinen wird.