Rezension

Medizingeschichte spannend erzählt

Der Horror der frühen Medizin - Lindsey Fitzharris

Der Horror der frühen Medizin
von Lindsey Fitzharris

Bewertet mit 5 Sternen

INHALT
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts endete fast jede Operation tödlich. Dies lag mitnichten am medizinischen Unvermögen der damaligen Chirurgen, sondern vielmehr an der mangelnden Hygiene. Weder die Ärzte noch die OP-Säle wurden desinfiziert. Kurzum, Keime konnten sich rasant ausbreiten. 1860 erreichte die Mortalitätsrate in den britischen Krankenhäusern gar ihren Höchststand. Der vielseitig interessierte Chirurg Joseph Lister (1827-1912) wollte dieses sinnlose Sterben beenden, indem er sich entschieden gegen die allseits bekannte Miasmentheorie aussprach. Der Quäkersohn forschte und beobachte den Verlauf der gängigen Wundinfektionen (wie z. B. Erysipel, Gangrän oder Sepsis) mikroskopisch genau und fand heraus, dass das Krankenhauspersonal als Überträger Nr. 1 fungierte. Lister stützte sich dabei auf Louis Pasteurs Studien und entwickelte diese ehrgeizig neben dem hektischen Klinikbetrieb in Glasgow und London weiter. Was folgte, verblüffte Patienten wie Ärzte und machte Lister zum Begründer der sog. antiseptischen Medizin. Der Hospitalismus konnte gebannt werden, indem man fortan Hände, Kleidung sowie den OP-Bereich gründlich desinfizierte. 

MEINUNG
Mit der Biografie „Der Horror der frühen Medizin“ ist der britischen Medizinhistorikerin Lindsey Fritzharris wahrlich eine spannende Lektüre mit krimihaften Zügen gelungen. Ich habe das 276-seitige Buch regelrecht verschlungen. Das lag zum einen daran, dass mich die Thematik brennend interessiert hat und zum anderen an den bildhaften Beschreibungen der Autorin. Fritzharris hat sowohl die Zeitumstände als auch die Rückständigkeit der Chirurgie im 19. Jahrhundert erschreckend realistisch porträtieren können. Dies setzt natürlich eine umfangreiche Recherche voraus. Als Leser staunt man einfach, wenn von alltäglichen Schausektionen und Schlachter ähnlichen Medizinern die Rede ist. Man kann es sich kaum vorstellen, aber damals galten Krankenhäuser als „Todeshäuser“ und wurden nur im äußersten Notfall aufgesucht. Im Privaten sah es nicht besser aus. Dort herrschte Dunkelheit, Dreck und harte Arbeit. 

Diese recht bedrückende Stimmung nimmt das Cover auf eindrückliche Weise auf. So ist der Titel in Blutrot gehalten und der schwarze Hintergrund erinnert an den Tod. Die zwei metallischen Operationsgeräte flößen zusätzlich Respekt ein. 

Dreh- und Angelpunkt der Lektüre ist Joseph Lister. Er war eine Lichtgestalt der damaligen Zeit. Er lebte 100 Prozent für die Medizin und ordnete dieser alles unter. Sein Forscherdrang, sein Mut zur Veränderung und seine Bescheidenheit haben mir imponiert. Es ist m. E. wichtig, dass man an solch wichtige Persönlichkeiten der Naturwissenschaft erinnert wird. Denn ich kannte Lister vor der Buchlektüre nicht, hatte weder im Biologieunterricht oder irgendwo anders von ihm gehört. 

FAZIT 
Ein durchweg lesenswertes Kapitel der Medizingeschichte, das flüssig und spannend erzählt wird. Gut, dass sich die Medizin in puncto Asepsis weiterentwickelt hat.