Rezension

Mehr als ein Krimi

Sonnentau - Kai Hensel

Sonnentau
von Kai Hensel

Bewertet mit 5 Sternen

Inhalt:
Ein Vater erhält die Nachricht, dass seine Tochter Jooly in Haiti an den Folgen eines Autounfalles verstorben ist. Gelähmt vor Trauer, bittet er eine Schulfreundin von Jooly, die Barkeeperin Maria Brecht, nach Haiti zu reisen, um mehr über ihren Tod und die genauen Umstände ihres Aufenthaltes zu erfahren.
Maria begibt sich auf die Reise nach Haiti, ein Land, das immer noch unter den Folgen des Erdbebens von 2010 leidet – und begibt sich auf die Suche nach Hinweisen darüber, warum ihre Freundin auf Haiti war – was hat sie hierher geführt – und, noch wichtiger: warum will niemand sie gekannt haben? Je tiefer Maria in das Land und seine Kultur eindringt, je mehr Einblicke sie in die Mentalität der Einheimischen, der Machenschaften der Politik und Hilfsbereitschaft der Helfer erhält, umso mehr wird ihr klar, dass die Wahrheit hier ihre eigenen Gesetze hat…

Meine Meinung:
Ein Thriller, der eindeutig „anders“ ist… der tiefer geht, bei dem es nicht nur um einen Unfall/Mord an einer jungen Frau geht – oder um dessen Aufklärung. Die Protagonistin – Maria Brecht, eine junge Barkeeperin, ist keineswegs eine erfahrene Kommissarin, sondern eine sympathische Studentin mit Ecken und Kanten, die in „Sonnentau“bereits in ihrem zweiten „Fall“ privat unterwegs ist, dieses Mal nach Haiti, wo sie Informationen über ihre alte Freundin Jooly sammelt.
Haiti, ein Land, das im Jahr 2010 von einem schweren Erdbeben erschüttert wurde, und bis heute verzweifelt versucht , sich davon zu erholen.
Kai Hensel, der sich dort intensiv umgesehen und recherchiert hat, nimmt den Leser mit auf diese Insel, gibt ihm einen eindrucksvollen und nachhaltigen Eindruck über die Mentalität der Menschen dort, über die Aufbauversuche der diversen Hilfsorganisatoren, ihre vielfältigen Ansichten. Dabei scheut er sich nicht, die dunklen Seiten anzusprechen – im Gegenteil, es scheint so, als ob er genau dies beabsichtigt: aufmerksam machen auf die Not, auf Missstände, auf Möglichkeiten - und Gefahren - der Entwicklungshilfe. Dies gelingt ihm auf nahezu grandiose Weise: Er verbindet eine spannende Handlung um den Tod einer jungen Frau mit so widersprüchlichen Begriffen wie Habgier, Mitleid, Machtkampf, Aufopferung, Korruption, Wahrheit - und diese Verbindung hat es in sich, ihrer Sogwirkung kann man sich kaum entziehen.
Verschiedene Handlungsstränge und Perspektiven geben diesem Roman eine besondere Raffinesse, aufmerksames Lesen ist gefragt, will man den Überblick behalten und Zusammenhänge frühzeitig erkennen.
Eine brisante Thematik, eine spannende Handlung, die sich mit einem überaus flüssigen Schreibstil verbinden – so zieht man Leser in den Bann!
Ich folgte fasziniert dem Geschehen, tauchte immer tiefer in eine Welt hinter den Kulissen ein, die mich regelrecht erschüttert und bewegt hat. Doch was bzw. wieviel davon ist Fiktion, was Realität ? Hier hätte ich mir persönlich ein (er)klärendes Nachwort gewünscht, um wenigstens einen kleinen Überblick über Fakten/Fiktion zu erhalten. Dieser Thriller ist spannend, keine Frage – doch er ist weit mehr: er rüttelt auf, regt zum Nachdenken an und regt zu weiteren Recherchen an.

 

Fazit:
Ein spannender Thriller vor dem Hintergrund Haitis, anspruchsvoll, ohne zu überfordern, und absolut empfehlenswert für alle Liebhaber von spannender Unterhaltung, die sich gerne mit aktuellen Themen auseinandersetzen…