Rezension

Mehr erwartet

Auris - Vincent Kliesch

Auris
von Vincent Kliesch

Bewertet mit 3.5 Sternen

Matthias Hegel ist der Star unter den forensischen Phonetikern. An der Stimme kann er alles erkennen: die Herkunft eines Menschen, seinen Gesundheitszustand, ob er an das glaubt, was er gerade sagt und viele weitere Dinge. Doch aktuell kann er seine Fähigkeiten nur begrenzt einsetzen, denn Hegel sitzt im Gefängnis, weil er eine Obdachlose mit zahlreichen Messerstichen getötet hat. Nun ist jedoch die Journalistin Jula auf den Fall aufmerksam geworden. Seit einem schrecklichen Verbrechen vor einigen Jahren hat sie es sich zur Aufgabe gemacht, unschuldig Verurteilte in ihrem Podcast zu rehabilitieren. Das hat sie nun auch mit Hegel vor, der in ihrem Augen auf keinen Fall der Täter sein kann. Doch der weigert sich standhaft, Julas Hilfe anzunehmen.

Nach einigen Jahren der Stille um ihn legt Vincent Kliesch mit "Auris" einen Thriller vor, den er nach einer Idee von Sebastian Fitzek verfasst hat. Grundsätzlich ist diese Idee auch durchaus spannend: das Feld der forensischen Phonetik ist interessant und erinnert ein wenig an die deduktive Arbeitsweise von Sherlock Holmes. Nur leider kommt diese Technik nur wenig zum Einsatz, da Hegel sich ja im Gefängnis befindet und somit nur Mithäftlinge und Wärter für ihn erreichbar sind. Ein paar kleine Kostproben gibt es trotzdem und die lassen einen wünschen, die Thematik hätte stärker im Fokus gestanden.

Protagonistin des Romans ist Jula, die sich nach dem Verlust ihres Bruders an Halbbruder Elyas klammert und eigentlich dringend eine Therapie nötig hätte. Stattdessen vergräbt sie sich in die Recherche über Verbrechen und stößt schnell auf eine Spur in Hegels Fall. Die Figur der Jula war stellenweise unglaublich anstrengend und auch ein wenig inkonsistent: Menschen in ihrem Umfeld gegenüber manchmal unglaublich misstrauisch und ablehnend, bei Fremden dann auf einmal vertrauensselig und gutgläubig. Dennoch kommt sie in ihren Recherchen (ein wenig zu) gut voran und ist dem Täter dichter auf den Fersen, als sie selbst ahnt. Da die Handlung perspektivisch immer dicht an den Charakteren bleibt, ist auch der Leser nicht viel klüger.

Das Ende des Buches kommt nicht weiter überraschend und erinnert stark an einige Fitzek-Romane. Schade ist jedoch, dass vieles unaufgelöst bleibt und die Handlung somit von vornherein auf eine Fortsetzung angelegt ist, die laut Klieschs Website "Aurelia" heißen und 2020 erscheinen soll. Dies hätte ich im Vorfeld, ehrlich gesagt, gerne gewusst, denn ich mag es nicht, wenn mir statt eines einzelnen Romans eine versteckte Serie vorgelegt wird.

Fazit: eine Idee, deren stärken nicht genutzt wurden, mit einem zu großen Cliffhanger