Rezension

Mehr Roman denn Krimi

Kühn hat Ärger
von Jan Weiler

Bewertet mit 5 Sternen

Das Schöne an dem vorliegenden Buch ist, dass es eine breite Leserschaft anspricht. Zum einen die Leser von Romanen der Gegenwartsliteratur, zum anderen Krimi-Fans. Wie es sich letztlich einordnen lässt, mag jeder für sich entscheiden. Da eine Leiche und ein Kommissar allein noch keinen Krimi ausmachen, würde ich selbst die Geschichte eher als Roman einordnen. Der Krimi-Plot bildet lediglich den Rahmen um vielfältige aktuelle gesellschaftspolitische Themen.

Wie im früheren Buch des Autors „Kühn hat zu tun“ – das ich nicht gelesen habe und man nach meiner Meinung um des besseren Verständnisses willen nicht unbedingt zuvor gelesen haben muss – steht der Münchener Hauptkommissar Martin Kühn im Mittelpunkt. Als aktuellen Fall hat er ein Tötungsdelikt zu Lasten eines jungen Libanesen aus schlechten sozialen Verhältnissen aufzuklären, der ihn in die Welt der wohlhabenden Bürger aus Grunwald führt, zu denen der Getötete neuerdings Zugang hatte. Parallel dazu beschäftigen Kühn diverse private Probleme – das kaum bezahlbare Wohnen in einem kreditfinanzierten Reihenhaus im teuren Münchner Umland, das zudem auf chemisch verseuchtem Grund errichtet ist; rechtsradikale Aktivitäten in seinem Wohnumfeld; die Konkurrenz mit seinem Untergebenen bei der Bewerbung auf eine Beförderungsstelle; der Verdacht der ehelichen Untreue seiner Frau und eine diesbezügliche eigene Versuchung; eine ungeklärte Erkrankung.

Diese Themen sind so aktuell und vielfältig, dass man sich in dem einen oder anderen durchaus wiederfinden kann. Der Kriminalfall wird ganz allmählich gelöst und gibt genügend Gelegenheit, selbst mitzuraten. Kühn ist ein eher eigenbrötlerischer Ermittler mit geschickten Verhörmethoden. Interessant sind die Einblicke in die inneren Strukturen der Kriminalpolizei, etwa die Art und Weise, in der der Polizeirat Kühn zur Teilnahme an einem Seminar für Führungskräfte zwingt. Das Drumherum um dieses Seminar ist übrigens wie auch andere Passagen durchaus humorvoll. Die Grundidee der Handlung empfinde ich als etwas irreal. Ein krimineller Jugendlicher mit Migrationshintergrund dürfte kaum mit so offenen Armen von den Eltern seiner ihm erst kurze Zeit bekannten Freundin aus einer völlig anderen Welt aufgenommen werden. Natürlich haftet diesem Aspekt auch etwas Märchenartiges an. Angetan war ich von so manchem Detail, mit dem die Geschichte gekonnt und passend ausgeschmückt wird, z.B. betreffend das IKEA-Sofa „Kivik“.

Da einige Aspekte aus Kühns Privatleben nicht zu Ende geführt werden, darf wohl mit einer Fortsetzung gerechnet werden, die ich ganz gewiss lesen werde, nachdem mir dieser Band so gut gefallen hat.