Rezension

Mehr Schein als Sein

Wir nennen es Politik - Marina Weisband

Wir nennen es Politik
von Marina Weisband

Bewertet mit 2 Sternen

Zuallererst möchte ich anmerken, dass ich weder Wählerin der Piratenpartei, noch in irgendeiner Form Mitglied bei dieser Partei bin – im Gegenteil, ich gehöre wohl zu den größten Kritikern, wenn es um diese Partei geht.

Wieso habe ich dann das Buch gelesen? Eine berechtigte Frage. Nun, ich interessiere mich für Politik und finde es immer wieder interessant, wie sehr die Meinungen bei einigen Themen doch auseinander gehen können. Nun möchte ich Marina Weisband in diesem Buch jedoch nicht wegen ihrer Meinung kritisieren, denn diese stehe ich ihr durchaus zu – auch wenn ich mit dieser nicht immer einverstanden sein muss. Aber dennoch gibt es einige Dinge, die mich dann doch etwas gestört, bzw. schockiert haben.

Bereits der erste Satz hat mich dazu gebracht, dass ich kurzzeitig den Kopf geschüttelt habe, denn bereits dort fordert sie den Leser auf, dieses Buch nicht zu ernst zu nehmen. Fassen wir also zusammen: Eine Politikerin beschreibt ihren Werdegang und die Ziele, die sie noch erreichen möchte. Sie setzt sich sehr für die Bildung ein und erwähnt dies auch mehrfach in ihrem Buch. Gleichzeitig erklärt sie noch einmal ausführlich (meiner Meinung nach zu ausführlich), was Politik eigentlich ist und wie sie funktioniert – und dann möchte sie gleichzeitig, dass ihr Werk nicht ernst genommen wird?!?!

Was mich nahezu schon fast schockiert hat, sind die vielen Satz- und Zeichenfehler, die es in diesem Buch gibt. Da versucht die Autorin relativ hochgestochen zu schreiben und dann entstehen solche Fehler, wo ich mich frage, wie denn sowas überhaupt passieren kann. Eigentlich sehr merkwürdig, wenn man doch bedenkt, dass die Autorin immer und immer wieder erwähnt, wie wichtig Bildung heutzutage doch ist. Dazu muss ich ebenfalls sagen, dass in diesem Buch anscheinend das Lektorat versagt hat, denn es gibt nicht nur einige Satz- und Zeichenfehler, sondern auch einige Logikfehler, die eigentlich hätten auffallen müssen.

Ein Beispiel:
Marina Weisband schreibt, dass sie am 27. September 2009 zum ersten Mal wählen war und sich dabei für die Piratenpartei entschieden hat, weil sie ihr sympathisch war. Zuhause hat sie sich dann einen Mitgliedsformular ausgedruckt, ihn ausgefüllt und zu den Piraten geschickt. Wenn man nun logisch denkt, wird so eine Mitgliedschaft nach spätestens 2-4 Wochen bewilligt, je nachdem, wie sehr die jeweilige Partei an sowas interessiert ist. Also haben wir nun Mitte/Ende Oktober – so weit, so gut! Dann schreibt sie jedoch, dass sie sich ein halbes Jahr nicht zu den Stammtischen getraut hat, eine Seite weiter schreibt sie jedoch, dass sie Ende 2009 zum ersten Mal bei einem Stammtisch war. Oookay. Was denn nun? 6 Monate oder doch nur 1-2 Monate? Dies ist leider nicht der einzige Logikfehler.

Ebenfalls etwas sauer aufgestoßen ist mir die Tatsache, dass anfangs erwähnt wird, dass dieses Buch keinesfalls eine Werbung für die Piratenpartei sein soll, jedoch wird im letzten Drittel die Partei so dermaßen in den Himmel gelobt, dass es schon fast weh tut. Natürlich ist es berechtigt, wenn sie beschreibt, wie sie zu den Piraten gekommen ist und natürlich darf sie auch schreiben, dass es ihr dort gefällt und welche Ziele die Partei hat. Dies ist vollkommen in Ordnung, aber dennoch wirkt das letzte Drittel fast schon so, als würde sie wieder mit Broschüren und Tischen auf einem Marktplatz stehen.

Sehr gut gefallen hat mir allerdings, wie sie das Thema Politik angeht. Sie erklärt dem Leser auf sehr einfache und ausführliche Weise, wie die Politik funktioniert. Eigentlich ganz nett, aber sollte dies nicht bereits eine Voraussetzung sein, wenn jemand ein Buch liest, das sich mit Politik beschäftigt? Ein gewisses Interesse sollte eigentlich im Vorfeld vorhanden sein, von daher empfand ich einige Erklärungen als fast schon zu ausführlich. Aber dennoch: Gut und einfach zusammengefasst.

Interessant finde ich auch ihren Werdegang. Als Kind nach Deutschland gekommen, die Sprache musste erst gelernt werden und auch gesundheitlich lief nicht alles glatt. Dazu hat sie sich nie für Politik interessiert, bis sie Wahlvideos von der Piratenpartei gesehen hat und spontan 2009 zur Wahl ging. Ab ging es in die Partei und durch puren Zufall wurde sie planlos für den Posten der Politischen Geschäftsführerin vorgeschlagen und gewählt. Und schon nimmt das Schicksal seinen Lauf…

Dazu muss ich sagen, dass die Meinung von Marina Weisband nicht durchaus schlecht ist, einiges hat sogar tatsächlich Hand und Fuß, aber dennoch klingt einiges schon fast zu schön und somit schon fast märchenhaft. Bildung ist selbstverständlich gut, keine Frage, allerdings ist dies auch nicht wirklich etwas Neues. Hätte die Autorin Ideen gehabt, die mich umgehauen hätten, würde ich dies durchaus zugeben und loben, allerdings war mir dann doch vieles schon fast zu flatterhaft. Da gibt es z.B. “Liquid Democracy”, auch flüssige Demokratie genannt. An sich klingt dies doch zunächst ganz gut, allerdings merkt man schnell, dass man nur zunächst einen Grundgedanken hat, diesen aber nicht weiter spinnt, da es bei der “Liquid Democracy” schon fast nach Manipulation riecht. Grundgedanken sind toll, keine Frage, allerdings sollte es dann auch Menschen geben, die diese Gedanken weiterführen und dies sehe ich nicht.

Dazu wurde mir stellenweise viel zu sehr auf das Thema Internet eingegangen. Natürlich ist auch dies halbwegs in Ordnung, wenn man bedenkt, dass dies ein wichtiger Punkt für die Partei ist, aber muss man wirklich auf fast zwei Seiten erklären, wie ein Retweet auf Twitter funktioniert? Ich denke nicht.

Ob das, was die Piratenpartei macht, wirklich als Politik bezeichnet werden darf, ist mal wieder ein Punkt, bei dem die Meinungen deutlich auseinander gehen, was ich aber auch gut finde, denn es wäre viel zu langweilig, wenn jeder Mensch die gleiche Meinung hätte. Ist es in meinen Augen Politik? Nicht ganz! Wie gesagt, einige Ansätze sind total in Ordnung, allerdings sind es auch tatsächlich nur Ansätze. Dennoch würde ich dieses Buch nicht unbedingt als wirklich schlecht bezeichnen, aber auch nicht unbedingt als gut.

Man merkt der Autorin an, dass sie mit Herzblut bei der Sache ist, ihre Ideen haben stellenweise tatsächlich Hand und Fuß, aber dennoch hat mir in dem Buch etwas gefehlt, was mich dazu bringt, diesem Buch eine wirklich positive Bewertung zu geben. Dazu kommen die etlichen Satz- und Zeichenfehler, die bei so einer Thematik eigentlich nicht sein dürften. “Wir nennen es Politik” kann man sich als politisch interessierter Mensch sicherlich mal durchlesen, allerdings sollte man dann auch nicht zu viel verlangen.