Rezension

"Mein bester letzter Sommer" von Anne Freytag

Mein bester letzter Sommer
von Anne Freytag

Bewertet mit 5 Sternen

Wann du die große Liebe triffst, kannst du dir nicht aussuchen
Tessa hat immer gewartet – auf den perfekten Moment, den perfekten Jungen, den perfekten Kuss. Weil sie dachte, dass sie noch Zeit hat. Doch dann erfährt das 17-jährige Mädchen, dass es bald sterben muss. Tessa ist fassungslos, wütend, verzweifelt – bis sie Oskar trifft. Einen Jungen, der hinter ihre Fassade zu blicken vermag, der keine Angst vor ihrem Geheimnis hat, der ihr immer zur Seite steht. Er überrascht sie mit einem großartigen Plan. Und schafft es so, Tessa einen perfekten Sommer zu schenken. Einen Sommer, in dem Zeit keine Rolle spielt und Gefühle alles sind … [ Quelle: Heyne fliegt ]

Wie ich Anne Freytag kennen und lieben lernte

Bisher habe ich (Schande über mein Haupt) noch keines von Anne Freytags Büchern gelesen. Das sollte sich nun mit Mein bester letzter Sommer ändern. Soweit ich mitbekommen habe, handelt es sich hierbei um ihr erstes Jugendbuch, allerdings merkt man das der Geschichte nicht an. Im Gegenteil, man könnte fast meinen, dass Anne Freytag in diesem Genre zuhause ist. Sie erzählt die Geschichte von Tessa und Oskar, die sich zu einem Zeitpunkt begegnen, der perfekter und schlimmer gleichzeitig gar nicht sein könnte. Denn Tessa stirbt. Nicht irgendwann in 60 Jahren, sondern bald, denn ihr Herz ist schwer geschädigt. Die Ärzte geben ihr nur noch wenige Wochen. Nicht gerade der beste Zeitpunkt, um sich zu verlieben.

Bücher, in denen es darum geht, dass Jugendliche sterben gibt es zwischenzeitlich wie Sand am Meer, doch trotzdem ist Mein bester letzter Sommer ganz anders. Tessa sieht Oskar in der U-Bahn und verliebt sich auf den ersten Blick in den ihr unbekannten Jungen. Als dieser sich dann plötzlich als der Sohn eines Arbeitskollegen ihres Vaters entpuppt, kommen die beiden sich näher. Und Oskar macht Tessas letzten Wochen zu den schönsten ihres Lebens.

Ein Buch über's Sterben, das lebensbejahender nicht sein könnte

Normalerweise geht es mir bei solchen Büchern immer folgendermaßen: alle liebe die Geschichte, alle greifen zum Taschentuch, weil solche Storys (scheinbar) ganz doll ans Herz gehen... und ich bin meist gelangweilt. Und diesen Teufelskreis hat mich Anne Freytag durchbrechen lassen. Wer von Teskar unbeeindruckt bleibt, der muss wirklich ein Herz aus Stein haben. Denn obwohl dieses Buch zu einem großen Teil vom Sterben und dem Weg dorthin handelt, hat es doch vor allem eine Botschaft, nämlich: genießt das Leben jetzt, später könnte es bereits zu spät sein. Die Geschichte wurde so lebensjahend geschrieben, dass man manchmal fast vergisst, dass gerade Tessa von eben diesem Leben nicht mehr viel übrig hat.

Dabei ist die Ausgangssituation eine ganz schlechte, denn von Anfang an ist klar, dass Tessa ihren nächsten Geburtstag nicht erleben wird. Irgendwie hängt man da selbst als Leser erst mal durch. Man spürt die Beklemmung, die anfangs auf der ganzen Familie liegt. Und wirklich gut gefallen hat mir Anne Freytags Art, Tessa zu beschreiben. Denn wenn mich eines immer wieder an den Bücher gestört hat, in denen ein Jugendlicher sein Leben lassen muss, dann ist es der Umstand, dass eben diese Kids meist noch total nett und lieb sind und sich mit dem Sterben total rational auseinander setzen. Aber Tessa ist wütend und zwar so richtig. Und was soll ich sagen? Das war wirklich authentisch. Denn ich glaube, dass das wirklich die ehrlichste Art ist, mit seinem bevorstehenden Tod umzugehen, wenn man gerade mal 17 ist. Und Tessa ist einfach auf alle wütend - ihre Eltern, ihre Schwester, auf das Leben im Allgemeinen.

Nur ganz kleine Kritikpunkte

Zwei kleine Kritikpunkte habe ich für mich aber doch gefunden. Zum einen fand ich es unglaublich schade, dass auf die Vorgeschichte der Familie nicht etwas genauer eingegangen wurde. Tessa selbst wusste wohl lange Zeit gar nichts von ihrem schwachen Herzen, da ihre Eltern beschlossen hatten, ihr diese Last nicht aufzubührden. Es wird dann kurz eingeworfen, dass Tessa wohl die Wahrheit rausgefunden hat, als sie selbst darauf gestoßen ist. Ich hätte mir so sehr gewünscht, dass dieser Aspekt etwas ausgearbeiteter gewesen wäre. Sowohl Tessas Gedanken und Gefühle dazu, als auch die Beweggründe der Eltern und auch das Verhältnis von beiden zueinander

Und dann gab es da ja noch die Liebe zwischen Tessa und Oskar. Ich muss zugeben, diese Liebe fängt den Leser ein, reißt ihn mit und lässt ihn nicht mehr los. Und ich persönlich hatte auch ein Kribbeln im Bauch. Aber mir ging es einfach zu schnell. Tessa sieht Oskar lediglich in der U-Bahn und hat sich schon Hals über Kopf verliebt und auch Oskar scheint da nicht lange zu fackeln. Ich hab mir von der lieben Lotta schon sagen lassen, dass dies von Anne Freytag wohl so geplant war, da Tessa eben nicht mehr viel Zeit hat und dieser Umstand so auch nochmal unterstrichen werden sollte. Das leuchtet mir auch in gewisser Hinsicht ein, zumal auch der Schwerpunkt der Erzählung nicht auf diesem "sich-verlieben" liegt, sondern eben auf der Zeit, die die beiden miteinander verbringen. Und auch auf die Gefahr hin, dass ich mich jetzt anhöre wie eine Meckerziege, aber mich hat es trotzdem etwas gestört, da ich der Meinung bin, dass man gerade, wenn man weiß, dass man stirbt, sich nicht unbedacht auf einen Fremden einlässt. Und vor allem fährt man auch nicht mit jemanden, dessen Reaktionen man nicht einschätzen kann, einfach ins Ausland. Wer sagt einem denn, dass dieser einem fast fremde Mensch, nicht Reißaus nimmt, wenn die ersten gesundheitlichen Schwierigkeiten auftreten? Allerdings kann ich, wie gesagt, Anne Freytags Beweggründe für diesen Weg verstehen.

Ein Schreibstil passend zur Geschichte

Ganz besonders toll fand ich allerdings Anne Freytags Schreibstil. Nicht nur, dass sie einfach total einnehmend schreibt und vorallem auch geradlinig, sehr beeindruckt hat mich auch, wie sie ihre Geschichte aufgebaut hat. Den Großteil der Story wird in der Ich-Erzählsicht von Tessa erzählt. Dies hatte natürlich den Vorteil, dass man in Tessas Gefühlsleben richtig eintauchen konnte. Und dann plötzlich ändert sich diese Sicht und Oskar erzählt vom Geschehen. Das hat mir unglaublich gut gefallen, hat aber auch ein beklemmendes Gefühl in mir ausgelöst, denn man fragt sich schon, warum dieser Wechsel. Geht es mit Tessa zu Ende und ist sie vielleicht nicht mehr in der Lage, weiter zu erzählen? Und obwohl der Leser von Anfang an weiß, wohin die Geschichte führt, will man es einfach immer weniger glauben, je weiter die Story voranschreitet.

Man stürzt sich gemeinsam mit Teskar ins Abenteuer Italien und erlebt soviele Emotionen und Gefühle genauso wie es die Protagonisten tun. Manchmal ist es einfach so schön, dass man, genau wie die beiden, vergisst, warum diese Reise überhaupt stattfindet. Man beginnt, vielleicht doch auf ein Happy End zu hoffen. Es hat einfach soviel gestimmt in diesem Buch, dass man es kaum in Worte fassen kann, wie sehr mich die Geschichte berührt hat. Wie die Autorin es geschafft hat, derartige große Gefühle lediglich durch ein paar Sätze zu transportieren... ich hab keine Ahnung, aber es hat funktioniert.

Tessa + Oskar = Teskar

Das Hauptaugenmerk liegt, trotz der wunderschönen Reise nach Italien und dem damit einhergehenden atemberaubenden Setting, ganz eindeutig auf Tessa und Oskar. Und beide sind einfach unglaublich authentisch dargestellt. Tessa mochte ich schon allein aufgrund ihrer überaus natürlichen Reaktion auf ihr Schicksal, wie ich oben schon dargestellt habe. Wut und Zorn beherrschen sie am Anfang des Buches und ich konnte sie einfach zu gut verstehen. Sie mag vielleicht an manchen Stellen etwas zickig daher kommen, doch wer wäre das in ihrer Situation nicht. Oskar hingegen ist einfach nur perfekt. Nicht nur, dass er gut ausschaut, er ist auch einfühlsam, hat keine Probleme, zu seinen Gefühlen zu stehen und geht einfach so wunderbar auf Tessa und ihre Bedürfnisse ein, da konnte man schon gerne mal ein wenig ins Träumen geraten

Und dann kam das Ende... Und das hat mich wirklich fertig gemacht. Ich bin normalerweise niemand, der beim Lesen weint. Never ever... Doch während der letzten 30 Seiten von Mein bester letzter Sommer merk ich doch plötzlich, dass mir da Flüssigkeit das Gesicht runterläuft. Es war schlimm und schön, herzzerreißend und herzerwärmend gleichzeitig. Nie in meinem ganzen Leben habe ich ein Buch geschlossen und bin mit einem solchen Berg Gefühlen zurückgelassen worden.

Zusammenfassend lässt sich sagen...

Immer wieder lese ich, dass Mein bester letzter Sommer mit Das Schicksal ist ein mieser Verräter verglichen wird. Doch diesen Vergleich hat letzteres Buch gar nicht verdient. Denn Anne Freytags Buch ist soviel besser, da gefühlvoller, emotionaler und auch spannender. Bis auf den Umstand, dass beide Protagonistinnen eben um ihr Leben kämpfen, konnte ich da keine Gemeinsamkeiten entdecken. Mein bester letzter Sommer überzeugt aber nicht nur durch eben diese Gefühle, die beim Leser freigesetzt werden. Hinzu kommt ein traumhaftes Setting, authentische Charaktere und ein sehr schöner Schreibstil. Die kleinen Kritikpunkte haben mir in keiner Weise die Lust auf das Buch genommen, wurde hier allerdings der Vollständigkeit halber einfach mit aufgeführt. Ein tolles Buch, um das man dieses Frühjahr einfach nicht herum kommt.