Rezension

Mein erster Stroud war ein Volltreffer :D !

Lockwood & Co. 01 - Die Seufzende Wendeltreppe - Jonathan Stroud

Lockwood & Co. 01 - Die Seufzende Wendeltreppe
von Jonathan Stroud

Bewertet mit 5 Sternen

Bis zu LOCKWOOD & CO war ich ein absoluter Stroud-Neuling. Die Tetralogie um Bartimäus, die in berühmt gemacht hat, kenne ich nicht und deswegen konnte ich auch ohne überdimensionale Erwartungen an das Buch herangehen. 

Der Autor gibt sich am Anfang nicht mit einer langen Einleitung ab, er hat mich direkt in das Geschehen geschmissen und mir Lucy, die Ich-Erzählerin der Geschichte und Anthony Lockwood vorgestellt, die sich einem Auftrag stellen. Sie gehen Geistererscheinungen auf den Grund und bringen sie zum Verschwinden. Ebenso, wie ich noch keinerlei Erfahrung mit dem Autor hatte, hatte ich bisher auch nicht viele Buchbegegnungen mit Geistern. In LOCKWOOD & CO hat mir dieser Ansatz aber gut gefallen, weil es eine Mischung aus jugendlichem Kriminalroman und Paranormalem ist. Die Geister stellen eine Art Plage dar und versetzten die Menschen in Angst und Schrecken. 

Was mich ein bisschen irritiert hat war die Zeit, in der sich das ganze abspielt, weil ich es nicht so richtig einordnen konnte. Ich hatte die ganze Zeit ein viktorianisches England vor Augen, da neben Taschenlampen und Telefonen nicht wirklich viele andere technische Geräte genannt wurden. Auch die Klamotten passen meiner Meinung nach dazu. Aber die Erwähnung von Cola und Autos könnte das Ganze auch auf einen späteren Zeitpunkt datieren. Ich würde mal schätzen, Anfang des 20. Jahrhunderts. Ich denke aber auch, als Leser hat man in dieser Hinsicht einen eigenen Spielraum. 

Die drei Protagonisten, allen voran Lucy, mochte ich sehr gerne, vor allem in ihrer Kombination. Lucy ist ein sehr eigenwilliges Mädchen, das schon früh gelernt hat auf eigenen Füßen zu stehen. Sie ist sehr mutig und steht in ihren männlichen Gleichaltrigen dahingehend in nichts nach, aber sie kann auch eigensinnig sein, wenn sie ihrem Bauchgefühl traut und deswegen nicht immer das Vernünftigste tut. George ist ein muffeliger Knuddelbär, der anscheinend nicht der Allerhübscheste zu sein scheint, aber das ist nur die Meinung von Lucy. Er ist ein Recherchegenie, ziemlich penibel (außer in der Küche) und manchmal etwas "verschroben", aber wie ich schon sagte, manchmal einfach nur zum Knuddeln. Dann wäre da noch Anthony Lockwood. Anfangs wusste ich nicht so genau, wie ich ihn einschätzen sollte, aber nachdem Lucy dann von ihrer ersten Begegnung mit ihm erzählte war mir klar, an wen er mich erinnert: Sherlock Holmes. Etwas kühl, immer um seine Haltung bedacht, seine etwas hochtrabende Sprache, seine Geheimniskrämerei und seine Vorliebe, seine Assistenten zu testen. Ich bin ja ein riesiger Sherlock Holmes Fan und deswegen war ich, als ich es quasi mit einer jungen fast-Kopie von ihm zu tun hatte, hin und weg. Lucy als sein Watson und George als eine Mischung aus seiner Haushälterin Mrs Hudson und dem Kommissar Lestrade. Für mich einfach herrlich.

Die drei sind noch sehr jung und verhalten sich auch manchmal so, selbst wenn sie es gerne anders hätten. Wenn sie an jedes Problem immer gleich richtig herangehen würden, nie Angst hätten und immer das richtige tun, dann wäre das irgendwie unglaubhaft gewesen. So haben sie ihre Stärken, aber auch Schwächen, die ihnen manchmal einen Strich durch die Rechnung machen. Wovon sie aber besonders viel haben ist ihr Humor. Sie gehen ja eigentlich einem wirklich schauerlichen Geschäft nach, das viele vermutlich traumatisiert zurücklassen würde. Sie stellen sich dem nicht nur, sie versuchen auch das Beste daraus zu machen und behalten sich ihre Fähigkeit zu lachen und glücklich zu sein. Man erfährt nicht viel über die Hintergründe der drei Jugendlichen, besonders von George und Lockwood, aber man kann erahnen, dass ihre Vergangenheit nicht die beste war und zu sehen, dass sie trotzdem weitermachen und lachen können, lässt hoffen. Ich  hätte mich gerne zu ihnen gesetzt, Tee getrunken, Kekse und Donuts gegessen und mich einfach wohlgefühlt, denn genau das haben sie vermittelt: Geborgenheit in einer Welt voller Geister, auch wenn der Rest so chaotisch erscheint.

"Erklär ihr die Keksvorschrift", sagte George. [...]
"Erklär's ihr Lockwood. Jetzt gleich. Sonst gib's hinterher bloß Ärger."
Lockwood nickte. "Die Vorschrift lautet, dass jedes Mitglied der Agentur sich immer nur einen Keks auf einmal nimmt. Es geht streng reihum. Ohne Ausnahme. Auch dann nicht, wenn jemand gerade unter Stress steht."
"Immer nur ein Keks auf einmal?"
"Richtig."
"Soll das heißen, ich habe die Stelle?"
"Selbstverständlich haben Sie die Stelle."
(LOCKWOOD & CO / S.94)

Die Geschichte wird nicht ganz chronologisch erzählt. Nach der anfänglichen "Katastrophe", die einen ganz schön erschrocken und mitfiebernd zurücklässt, wird erst mal ein ziemlich scharfer Schnitt eingefügt und zum Anfang von Lucys Geschichte zurückgesprungen. Sie erzählt, sie sie zu Lockwood & Co gekommen ist, bis hin zu dem Auftrag, dem man ganz am Anfang beigewohnt hat. Mir hat das sehr gut gefallen, weil ich dadurch, dass ich ja schon ein wenig wusste, was auf mich zukommt, nicht so hibbelig war, endlich zum spannenden Teil der Geschichte zu kommen - ich hatte ja schon etwas Spannendes hinter mir. So konnte ich mich ganz gemütlich zurücklegen und "die Show genießen", um es mal übertrieben zu sagen.

Das Lesen war nie langweilig, und das obwohl es auch Passagen gab, in denen Action nicht im Vordergrund war. Recherchen, kleine Anekdoten und gruselige Dinge im Hause Lockwood haben es immer geschafft, mich zu beschäftigen. So flog Seite um Seite dahin und ich habe nicht mal 2 Tage gebraucht um das Buch zu lesen. Die Handlung ist spannend, aber nicht immer so atemberaubend, sondern manchmal auch eher subtil, weil neue Indizien auftauchen und man sich seine eigenen Theorien zurechtbastelt, von denen man hofft, dass sie richtig sind - und das waren sie nicht immer. Einige Sachen waren vorhersehbar, aber andere wiederum, und das war der wichtigere Teil, nicht. Zumindest nicht für mich. Für Rätselfreunde ist LOCKWOOD & CO auf jeden Fall das Richtige und wenn man dann noch Geistergeschichten mag ist es ein wahrer Glücksgriff. Ich jedenfalls hatte unglaublich viel Spaß beim Lesen. Ich habe gelacht, mich gegruselt, aufgeregt und hatte immer das Gefühl, mittendrin zu sein und das fand ich ganz besonders gut. 

Jonathan Stroud hat viele liebevolle Details in das Buch eingebaut, die es für mich zu einem besonderen Leseereignis gemacht haben. Die Macken der Protagonisten, die Geschichten der Geister, die sehr berührend sein können und die Beschreibungen der Schauplätze - all das hat die Geschichte sehr greifbar und mitreißend gemacht.

Mir sind die drei Agenten ans Herz gewachsen und ich kann es gar nicht erwarten, mich mit ihnen in ein neues Abenteuer zu stürzen, in dem es von Geistern nur so wimmelt, denn ich weiß, bei ihnen bin ich sicher und es ist immer Tee im Haus - typisch britisch eben!