Rezension

Mein Thriller-Favorit 2019

Zimmer 19 - Marc Raabe

Zimmer 19
von Marc Raabe

Bewertet mit 5 Sternen

Meine Freude war riesig als ich „Zimmer 19“, den neuen Fall von Tom Babylon und Sita Johanns entdeckte. War doch „Schlüssel 17“ letztes Jahr einer meiner liebsten Thriller. Wunderbar getimt, erscheint der neue Thriller anderthalb Jahre später, wie auch der neue Fall auf der Berlinale anderthalb Jahre nach der Dom-Sache stattfindet, Echtzeit quasi.

Dieses Mal ist ein Video, das eine Vergewaltigungsszenerie mit anschließender Ermordung des Opfers zeigt, der Ausgangspunkt für Toms Ermittlungen. Statt des ersten Berlinale-Films wurde das Gewaltvideo auf der Eröffnungsveranstaltung tausendachthundert mehr oder weniger prominenten Gästen vorgeführt. Besonders schockierend ist die Art der Ermordung, brisant die Herkunft/der Name des Opfers.
In einem zweiten Handlungsstrang durften wir die jugendliche Sita näher kennen lernen, was mir durchaus zu pass kam, da mir Sita im ersten Band schon sehr speziell erschien, nicht negativ, sondern eher in Richtung außergewöhnlich, also ziemlich kaltschnäuzig, abgebrüht, überdurchschnittlich mutig. Wie sie zu dieser Persönlichkeit geworden ist, blieb in „Schlüssel 17“ weitgehend verborgen. Es ist schön, sie jetzt besser verstehen zu können.
Zwei weitere Bekannte aus „Schlüssel 17“ treten gleich am Anfang wieder mit in die Handlung ein, Viola und Toms Freund Bene. Ich war ja so gespannt beim Lesen, ob von der Ungewissheit, die Tom umgibt, etwas mehr ans Licht kommt.

Sita rückt nun mehr in den Vordergrund. Ihr Schicksal, insbesondere die Ereignisse aus ihrer Teenagerzeit, sind nichts für schwache Nerven. Was sie alles ertragen musste, ist schon beim Lesen fast nicht auszuhalten. Für mich ist gut nachvollziehbar, dass sie auch heute noch daran zu knabbern hat, beispielsweise mit ihrer Angst vor dunklen, abgegrenzten Räumen. Ich bewundere Sitas Art dem Leben und seinen Unwegbarkeiten zu trotzen.

Tom mag ich weiterhin sehr gern, weil er weit ab von perfekt ist. Zudem ist er ein Macher, kein Rückversicherer. Mit seiner Intuition agiert er spontan, überdreht manches Mal, kommt aber letztlich, wenn auch auf Umwegen zum Ziel. Dabei hasst Tom sinnlose oder übertriebene Spielregeln genau wie ich, nur das er es schafft, sie ganz einfach zu brechen. Er ist in diesem Sinne so, wie ich gern wäre, aber nicht bin, weil ich mir das nicht traue.

Marc Raabe konstruiert mit „Zimmer 19“ ein geniales Wechselspiel zwischen dem Berlinale-Fall und der Vergangenheit, sowie tolle Szenenwechsel bei den Ermittlungen. Die Szenenwechsel mochte ich besonders gern im Rahmen von Befragungen. Immer gerade dann, wenn es spannend war, wurde umgeschaltet. Diese Cliffhanger lassen ein gefährliches Suchtpotential beim Leser entstehen. Sehr gelungen waren auch die Verbindungen zum 1. Fall, wie auch zu Toms Vergangenheit, von der wir in „Schlüssel 17“ lesen durften.

Fazit: Aus meiner Sicht konnte Marc Raabe sich mit „Zimmer 19“ nochmal steigern. Auch wenn es sich in der Bewertungsskala nicht niederschlagen kann, hat mir „Zimmer 19“ noch ein Tucken besser gefallen. Ich denke: Wer „Schlüssel 17“ mochte, wird „Zimmer 19“ lieben.