Meine Erwartungen waren anders
Was auf den ersten Blick wie ein historischer Roman aussieht, ist tatsächlich eine detaillierte und sorgfältig recherchierte Darstellung des damaligen Lebens und der aufkeimenden wissenschaftlichen Methoden. Und das wurde in der Bewerbung des Buches leider anders dargestellt. Die Kurzbeschreibung sowie die Leseprobe versprachen einen Roman rund um das Verfahren der Unschuld oder Schuld von Mädchen und Frauen. Dies nahm aber leider nur einen kleinen Teil des Buches ein.
Dennoch war das Buch spannend, da es so viel mehr als nur Annas Schicksal beleuchtet. Renberg zeichnet ein lebendiges Bild der Gesellschaft und beschreibt die medizinischen Methoden und Überzeugungen einer Zeit, die nur kurz nach dem Höhepunkt der Pestwellen lag. Gerade das macht den Reiz aus: Man bekommt das Gefühl, ein Fenster in eine fremde Epoche zu öffnen und die Anfänge der Rechtsmedizin mitzuerleben.
Allerdings stellte mich Renbergs Schreibstil anfangs vor eine Herausforderung. Die Sprache ist dem Zeitalter angepasst, was dem Werk zwar Authentizität verleiht, meinen Lesefluss jedoch oft verlangsamte, da es zu sehr in dieser Richtung genutzt wurde. Auch die Charaktere und die Umgebung wurden so sehr beschrieben, dass sie gefühlt mehr Platz einnahmen als die Handlung selbst.
Positiv hervorzuheben ist die künstlerische Aufmachung am Ende und am Anfang des Buches. Beispielsweise durch einen QR-Code am Ende des Buches, der zu zusätzlichen Quellen führt – historische Dokumente, Bilder, Karten und andere Hintergrundinformationen.