Rezension

Meine Großmutter, mein Großvater, seine Geliebte und ich.

Der Zopf meiner Großmutter - Alina Bronsky

Der Zopf meiner Großmutter
von Alina Bronsky

Bewertet mit 5 Sternen

Alles eine Frage der Disziplin. Die Oma ist ein Alptraum. Sie ist antisemitisch, herrschsüchtig, unbelehrbar, besserwisserisch und traut keinem über den Weg. Nicht mal ihrem geliebten Mann, den sie regelmäßig mit dem Tod bedroht, wenn er nicht spurt. Er heißt Tschingis, ist Mongole und schon vor Jahren verstummt. Aber sie ist auch clever und höchst pragmatisch. Für die Familie tut sie alles, erfindet sogar jüdisch-deutsche Wurzeln für sich, damit sie als Kontingentflüchtlinge aus der zerfallenden Sowjetunion herauskommen. Doch von Deutschland ist sie dann total enttäuscht: Schulsystem, Bonbons, Luft, Gemüseangebot, Ärzte - alles Mist. Das schmutzige Wohnheim ist ein Graus, die Nachbarn sind alle schrecklich. Überleben ist halt nichts für Angepasste. Enkel Max ist der Erzähler dieser herrlich skurrilen, liebevoll-bösen Geschichte über das Ankommen und den harten Kampf ums Überleben in einer fremden Welt. Max ist Großmutters Augenstern und zugleich Opfer. Sie hält ihn für lebensuntüchtig, dichtet ihm alle möglichen Allergien an und verbietet den Umgang mit virenbefallenen Einheimischen. Eigentlich ein Horrorszenario und nah dran an Kindesmisshandlung. Aber eben nur eigentlich. Denn Max weiß es einzuschätzen: Die Oma versucht bloß, ihn zu beschützen und alle durchzubringen. Als sie endlich mitkriegt, dass der Großvater sich eine Freundin zugelegt hat, läuft sie zur Hochform auf. Max konnte sich genau an den Moment erinnern, als sein Großvater sich verliebte. Er war in seinen Augen ein uralter Mensch – die fünfzig bereits überschritten –, und sein neues, zartes Geheimnis überrollte Max mit einer Welle der Bewunderung, in die sich Schadenfreude mischte. Es war klar, dass die Großmutter nichts davon mitkriegen sollte. Sie hatte schon bei geringeren Anlässen gedroht, ihn umzubringen … So bekommt sie als Letzte mit, dass ihr Mann sich verliebt hat. Doch dies bedeutet mitnichten das Ende der Familie, sondern den Anfang eines turbulenten Zusammenlebens unter neuen Vorzeichen. Nein, kein Mord. Im Gegenteil. Mit Verständnis, Engagement und Liebe schafft die Großmutter, was nur wenigen gelingt. Lebenskünstler. Urlaub mit den Eltern. Kindheit mit einer übergriffigen Großmutter. Dreiecksbeziehung mit einem Androiden. Und zwei bemerkenswerte Chroniken. Hier ist zwischenmenschlich schwer was los zwischen den Seiten! Diese wundersame Geschichte zeigt "Der Zopf meiner Großmutter" ist ein spannender Roman mit jeder Menge Fantasie. Vielschichtig und toll erzählt- die Idee dahinter ist super.