Rezension

Meine Zukunft?

Elizabeth wird vermisst - Emma Healey

Elizabeth wird vermisst
von Emma Healey

Maud leidet an Altersdemenz, und es wird immer schlimmer: Sie kann sich nicht merken, was sie einkaufen wollte, sie findet nicht mehr den Weg nach Hause, sie weiß nicht mehr, was sie gerade erst gefragt hat. Da hilft es auch nicht weiter, dass sie überall Notizzettel mit Erinnerungshilfen verteilt, denn wenn sie sie liest, weiß sie nicht mehr, was sie bedeuten. Eins weiß sie aber genau: Sie vermisst ihre Freundin Elizabeth. In ihrem Haus ist sie nicht - wo kann sie nur sein? Maud macht sich auf die Suche. Und währenddessen wird sie durch kleinste Assoziationen immer wieder aus der Gegenwart in die Vergangenheit geholt: Ein Tag mit ihrer Schwester am Strand oder die Lieblingsschallplatte ihres Untermieters beschäftigen sie. Und dann natürlich auch der große Verlust, den sie erlitten hat...

In ihrem Debut-Roman zeichnet Emma Healey lebensecht das Bild einer dementen Frau. Durch die Wahl der Ich-Erzählung nimmt der Leser das Leben aus Mauds Perspektive wahr. Er kann sich in sie einfühlen, erlebt ihre Verunsicherung, ihre Scham, wenn wieder eine wichtige Fähigkeit versagt, ihre Verzweiflung, wenn niemand sie ernst nimmt. Gleichzeitig steht er neben ihr, denn natürlich begreift er die Zusammenhänge, die Maud entgleiten. Seine Erinnerung ist da, wenn ihre verschwindet; er kann beobachten, wie sich ihr Zustand verschlechtert, bis sie manchmal selbst Tochter und Enkelin nicht mehr erkennt. Was für eine Belastung das für die beiden sein muss, kann er erahnen. Und so wird das Buch zu einem Plädoyer für Verständnis und Toleranz. 

Ich empfand das Buch als anrührend und bereichernd; ich habe viele Gedanken über den Zustand meiner Mutter gewälzt und über meine eigene eventuelle Zukunft. Die Beschreibung von Elizabeths Alltag hätte mir da schon gereicht; die Kriminalgeschichte war für mich überflüssig: Alte Menschen müssen keine traumatischen Erlebnisse gehabt haben, um wieder in Kindheitserinnerungen zurück zu fallen. Aber das tut dem Buch keinen Abbruch: Ich kann es uneingeschränkt empfehlen.